352 1. Das Landesstaatsrecht.
Art. 20 nicht als 'Thäter oder Theilnehmer an diesen Handlungen
zu bestrafen sind. Art. 21: »Begründet der Inhalt einer Druckschrift
den Ihatbestand einer strafbaren Handlung, so sind der verantwort-
liche Redakteur, der Verleger, der Drucker, derjenige, welcher die
Druckschrift vertrieben oder sonst öffentlich verbreitet hat (Ver-
breiter), soweit sie nicht nach $ 20 als Thäter oder Theilnehmer zu
bestrafen sind, wegen Fahrlässigkeit mit Geldstrafe bis zu
1000 Mark oder mit Festungshaft oder Gefängniss bis zu einem Jahr
zu belegen, wenn sie nicht die Anwendung der pflichtmässigen
Sorgfalt oder Umstände nachweisen, welche die Anwendung der-
selben unmöglich gemacht haben.« Bei diesen specifischen Press-
delikten hielt das Gesetz es für zulässig, die Verantwortlichkeit
einem VYormann zuzuschieben, dem Verfasser, dem Einsender, dem
Herausgeber u. s. w.
Eine nicht richterliche Beschlagnahme von Presserzeugnissen
ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen zulässig; sie trifft die
Exemplare lediglich da, wo sie sich zum Zwecke der Verbreitung
befinden und erstreckt sich blos auf diejenigen '[heile der Druck-
schrift, welche die strafbaren Stellen enthalten.
Ueber die Bestätigung oder Aufhebung der vorläufigen Be-
schlagnahme hat das zuständige Gericht zu entscheiden. Diese
Entscheidung muss von der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden
nach Anordnung der Beschlagnahme beantragt und von dem Ge-
richte binnen 24 Stunden nach Empfang des Antrags erlassen wer-
den. Erfolgt binnen 5 lagen keine gegentheilige richterliche Ver-
fügung, so erlischt die vorläufige Beschlagnahme von selbst und die
Exemplare sind als freigegeben anzusehen.
In dieser Weise versucht das Reichspressgesetz vom 7. Mai 1874
die Freiheit der Meinungsäusserung durch die Presse, die sog.
Pressfreiheit, mit den Anforderungen der öffentlichen Ordnung
in Einklang zu bringen, indem es insbesondere jede definitive Mass-
regel gegen die Presse der Willkür der Polizeibehörden entzieht
und lediglich dem Ermessen des Richters unterstellt.
$ 149.
4) Religiöse Bekenntnissfreiheit!.
Im Widerspruche mit dem tiefinnerlichen Charakter des Chri-
stenthums war dem ganzen Mittelalter die Bekenntnissfreiheit völlig
ı H.A. Zachariä, B.1. $87. H. Zöpfl, $293. v.Mohl, B.I. 874.
S. 372, v. Rönne, B. 1. $ 97. S. 113. Pözl, $26. Bluntschli, Allgemeines