IV VORWORT.
Mitbethätigung auf verschiedenen Gebieten des Staatslebens, be-
stimmten mich, mehr als sieben Jahre unausgesetzter Arbeit der
wissenschaftlichen Begründung des preussischen Staatsrechtes zu
widmen, wobei mein Bestreben besonders darauf gerichtet war,
das preussische Staatsrecht in engste Verbindung mit der staat-
lichen Gesammtentwickelung Deutschlands zu setzen. Das Re-
sultat dieser Arbeit war mein: »Preussisches Staatsrecht
auf Grundlage des deutschen Staatsrechtes« Leipzig
1870— 1877. Niemals hatte ich aber den Gedanken aufgegeben,
den durch die Zeitverhältnisse unterbrochenen Versuch eines
deutschen Staatsrechtes wieder aufzunehmen, wenn sich die
staatlichen Verhältnisse Deutschlands wieder befestigt, wenn
sich vor allem neue Grundlagen einer deutschen Gesammt-
verfassung ausgebildet haben würden, welche nicht blos dem
Staatsrechtslehrer ein würdiges Objekt juristischer Betrachtung
bieten, sondern zugleich den nationalen Bedürfnissen dauernde
Befriedigung in Aussicht stellen würde. Diese Bedingung ist
durch die Gründung des neuen deutschen Reiches erfüllt. Nie hat
das deutsche Volk, in seiner mehr als tausendjährigen Geschichte,
sich einer Verfassungsform erfreut, welche, ein adäquater Ausdruck
der gegebenen staatlichen Zustände, allen gerechten Ansprüchen
der Nation dermassen entspräche, wie die heutige deutsche Reichs-
verfassung.
Das neu geschaffene Gesammtstaatsrecht des norddeutschen
Bundes, wie des deutschen Reiches, hat in der kurzen Zeit
seines Bestandes eine solche Zugkraft auf unsere besten Kräfte
ausgeübt, dass dasselbe bereits eine ebenso umfassende, als wissen-
schaftlich bedeutsame Literatur aufzuweisen hat. Gewiss war die
vorwiegende Beschäftigung mit dem Staatsrechte des neuen
Reiches, in dem ersten Decennium seines Bestandes, nicht nur
erklärlich, sondern geradezu nothwendig. Es kam darauf an,
der Nation ein tieferes Verständniss ihrer neuen staatlichen Er-
rungenschaften zu eröffnen und den anfangs spröden Stoff zuerst
unter Juristische Gesichtspunkte zu bringen. Aber nachdem dies ge-
schehen oder wenigstens angebahnt ist, muss es auch wieder hervor-
gehoben werden, dass unser deutsches Staatsleben sich in einer
doppelten Sphäre, der des Reiches und der der Einzelstaaten, be-