412 I. Das Landesstaatsrecht.
zugleich nothwendige Glieder im Organismus des Staates. Daher
gehören die kommunalen Institutionen in das Staatsrecht. Die Ge-
meinde hat, wie der Staat, selbst auch ihre vermögensrechtliche
Persönlichkeit und wird von diesem Standpunkte aus auch im Pri-
vatrechte besprochen. Dies ist aber nur ihre sekundäre Seite.
Die Gemeinden dürfen daher nicht wie willkürlich gebildete Ge-
sellschaften betrachtet werden, denen der Staat aus Zweckmässig-
keitsgründen die juristische Persönlichkeit verliehen habe. Auch
liegt der Schwerpunkt ihres Daseins nicht in ihrer vermögensrecht-
lichen Seite, wie bei einem Aktienvereine; das finanzielle Element.
so wichtig es ist, der Gremeindehaushalt, ist nicht Selbstzweck, son-
dern soll lediglich den höhern Kulturaufgaben des Volkslebens die-
nen. Ebenso wenig sind die Gemeinden blosse Staatsanstalten.
welche der Staat nach Belieben schaffen und wieder abschaffen
kann, deren Wirken er lediglich nach seinen Interessen regulirt,
welche ohne ihn gar keine selbständige Existenz haben. Die
Gemeinden sind öffentlichrechtliche Korporationen mit einer eige-
nen, nicht erst vom Staate übertragenen Persönlichkeit, welche aber
zugleich dem Staate als Grundlage und Stütze dienen, ohne deren
Mitwirkung er seine Aufgabe nicht erfüllen kann. Haben die Ge-
meinden somit auch dem Staate gegenüber ihre eigene unantast-
baren Rechtssphäre, in welche die Verwaltung nicht willkür-
lich hineingreifen darf. so müssen sie sich doch, wie alles im
Bereiche des Staats Vorhandene, der staatlichen Gesetz-
gebung fügen und unterordnen. Ja, gerade weil der Staat zu
seiner Ergänzung der örtlichen 'Thätigkeit der Gemeinden nicht
entbehren kann, weilsie seine Aufgaben mitzuerfüllen berufen sind.
kann er das Gemeindewesen nicht blos der regellosen Willkür, der
historischen Zufälligkeit der Einzelentwickelung überlassen. Eine
organische Gemeindegesetzgebung ist eine unbedingte Nothwendig-
keit fürden modernen Staat. welche sich aus dem Aggregatzustande
des Mittelalters herauszuarbeiten begonnen hat. Ist es somit un-
zweifelhaft, dass auch das Gremeindewesen im Staate der Gegenwart
ein Gegenstand der staatlichen Gesetzgebung ist, so gebietet doch
eine richtige Erkenntniss des Gemeindelebens dem Staate, die
Schranken des Nothwendigen aufs strengste inne zu halten. \Väh-
rend die Gesetzgebung des Staates auch hier formell unbegrenzt
ist, findet sie ihre materiellen Schranken in der selbständigen
Rechtssphäre der Gemeinden, welche nicht ohne Schaden für das
Gemeindeleben verletzt werden darf. Nachdem die Gesetzgebung