Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

436 I. Das Landesstaatsrecht. 
lebens- und leistungsunfähigen Landgemeinden immer mehr ihre 
Ergänzung finden werden. 
$ 167. 
2) Die Kreisverbände. 
Im preussischen Staate sind bei weitem die wichtigsten Mittel- 
glieder zwischen der Ortsgemeinde und der Staatsgesammtheit die 
Kreisverbände. Die Wiege des preussischen Staates, die Mark 
Brandenburg, ist auch die der Kreisverbände. Dieselben sind 
aus den alten Kreiskonventen der adligen Rittergutsbesitzer her-- 
vorgegangen und nach und nach auf alle übrigen Gebietstheile der 
Monarchie übertragen worden. Die Rittergutsbesitzer eines Krei- 
ses bildeten seit uralter Zeit eine ständische Körperschaft, an deren 
Spitze, als Vorsteher und Verwalter ihrer kommunalen Angelegen- 
heiten, der von ihnen erwählte Landrath stand. Seit dem 
dreissigjährigen Kriege übertrug der Landesherr den Landräthen auch 
seine Staatsgeschäfte, sie wurden zugleich zu landesherrlichen Be- 
amten für das platte Land gemacht; dagegen traten den so in 
die Doppelstellung von Kreisvertretern und Staatsbeamten gebrach- 
ten Landräthen gewählte Kreisdeputirte zur Seite, theils als Gehül- 
fen, theils als Vertreter der ständischen Kreiskörperschaft. Bei der 
Neuorganisation im Jahre 1815 wurden die Kreise als staatliche 
Verwaltungsbezirke beibehalten, ihnen aber auch die Städte einver- 
leibt, zugleich wurden dieselben als besondere, durch den Kreistag 
zu vertretende Korporationen anerkannt, ın welchen neben der 
Ritterschaft auch die Städte und Landgemeinden, wenn auch in 
ungenügender Weise, vertreten waren. Die allgemeine Durchfüh- 
rung dieser Kreisverfassung erfolgte in den Jahren 1825—28 durch 
acht provincielle Kreisordnungen in den acht damaligen Provinzen. 
Nachdem die oben erwähnte»Kreis-, Bezirks- und Provincialordnung 
vom 11. März 1850« wieder beseitigt war, wurde die ältere Kreis- 
verfassung wieder hergestellt und stand bis zur Durchführung der 
neuesten Kreisordnung vom 13. Dec. 1872 in Kraft, welche jedoch 
nur in den fünf östlichen Provinzen (mit Ausnahme von Posen) ein- 
geführt wurde. Diese bezeichnet einen bedeutsamen Fortschritt 
auf der Bahn der Selbstverwaltung. Während nach den älteren 
Kreisordnungen alle obrigkeitlichen Befugnisse in den Händen der 
Staatsbeamten und Staatsbehörden lagen und die kommunalen Or- 
gane auf die Verwaltung des kommunalen Vermögens und der kom- 
munalen Anstalten, die Abgabe von Gutachten, die Anbringung
	        
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