Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Von der Volksvertretung oder dem Landtage. 449 
nungen, des Privatrechts, sog. Landrechte, der Gerichtsverfassung, 
sog. Gerichtsordnungen. Da indessen die Landstände in ihrer eng- 
herzigen privatrechtlichen Auffassung auf diese öffentlich-recht- 
lichen Befugnisse weniger \verth legten, so verkümmcerte dieses 
Recht bereits seit dem XVII. Jahrhundert und die Landesherrn 
nahmen sich heraus, wichtige Gesetze auf eigene Faust zu erlassen. 
Selbst die im vorigen Jahrhundert so energisch festgehaltenen Ver- 
fassungen Mecklenburgs und \Württembergs behandeln die '[heil- 
nahme der Landstände an der Gesetzgebung in sehr vager und un- 
bestimmter Weise. 
3) In Betreff der Rechtspflege hatten sich die Landstände des 
spätern Mittelalters nur selten die Bedeutung eines ordentlichen 
Gerichtshofes, nach Art der alten placita provincialia, bewahrt, z.B. 
im Erzstift Bremen; dagegen hatten sie überall einen verfassungs- 
mässigen Einfluss auf die Ordnung und Besetzung der landesherr- 
lichen Hof- und Landesgerichte. 
4) Auf die innere Landesverwaltung übten die Land- 
stände einen bedeutenden Einfluss aus, indem sie vielfach die für 
den landesherrlichen Rath zu ernennenden Personen bezeichneten 
z.B. die vier Regiments- oder Oberräthe im Herzogthum Preussen 
Auch wurden häufig die landesherrlichen Beamten, ja selbst » die 
Officiere und Soldaten«, auf die Landesverfassung und die Priv:- 
legien der Stände vereidigt. 
5) Auch in der auswärtigen Politik des Landes hatten die Land- 
stände meistens ein gewichtiges Wort mitzureden. In vielen 'Terri- 
torıen erhielten dieselben die förmliche Zusicherung, dass ohne ihre 
Zustimmung weder ein Krieg begonnen, noch Bündniss oder Frie- 
den geschlossen werden dürfe. 
6) Vielfach griffen die Landstände auch in die fürstenrecht- 
lichen Verhältnisse des landesherrlichen Hauses ein, besonders bei 
Duscessionsfällen und Vormundschaft. In erster Beziehung suchten 
sie meist die für sie so wichtige Einheit des Landes zu erhalten, wo 
das nicht möglich war, wenigstens die nachtheiligen Folgen der 
Landestheilung möglichst zu vermeiden. Für den Fall der Unmün- 
digkeit oder Abwesenheit des Landesherrn stand ihnen überall 
wenigstens eine Mitwirkung bei Einsetzung der vormundschaft- 
lichen Regierung zu, bisweilen war ihnen sogar die Führung der 
Vormundschaft selbst ein für allemal verfassungsmässig übertragen. 
($. 259.) 
7) Die Landstände waren nirgends blos auf die ihnen urkund-
	        
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