Von der Volksvertretung oder dem Landtage. 451
immer als Vertreter ihrer speciellen Standesinteressen. Nirgends
war der Grundsatz ausgesprochen oder anerkannt, dass bei allen
Berathungen und Abstimmungen das allgemeine Landeswohl. mit
Zurücksetzung aller Sonderinteressen, allein zu entscheiden habe.
Es war daher erklärlich, wenn die Landstände vor allem für ihre
»theuer erkauften Freiheiten « eintraten und mit dem Landesherrn,
ganz in privatrechtlicher Weise, möglichst günstige Geschäfte für
sich und ihre Kommittenten zu machen suchten. Es ist in neuerer
Zeit mit Recht hervorgehoben, dass auch die landständische Insti-
tution viel dazu beigetragen habe, die Territorien staatlich zu kon-
solidiren, aber nırgends in Deutschland ist es dem Territorialstaats-
rechte gelungen. den Dualismus zwischen Landesherrn und
Landschaft zu überwinden. Gerade hier war der Punkt, wo die
organische Weiterentwickelung der mittelalterlichen Landstände zu
einer wahrhaft staatlichen Volksvertretung scheiterte.
8.171.
2) Die landständische Institution in absteigender Linie.
Nachdem so der feste Abschluss der Territorien mit Hilfe der
Landstände durchgeführt war, richtete sich nun der planmässige
Angriff der sich ihrer selbst bewusst gewordenen Landesherrlichkeit
gegen die Schranken, welche ıhr durch die landständische Ver-
fassung gezogen waren. Seit dem XVII. Jahrhundert, besonders seit
dem dreissigjährigen Kriege, koncentrirte sich die moderne Staats-
entwickelung lediglich in der fürstlichen Gewalt. während die land-
ständische Institution entweder ganz verschwand oder doch, immer
mehr ihrer politischen Bedeutung beraubt, zu einer privilegirten
Korporation von wesentlich privatrechtlicher Bedeutung mit ein-
zelnen administrativen Befugnissen, herabsank. Bei diesem grossen
Processe, der sich übrigens gleichzeitig auf dem ganzen europäischen
Kontinente vollzog, arbeiteten alle geschichtlichen Mächte der Zeit
auf den Sieg der absoluten Fürstengewalt und den Untergang der
landständischen Institution in merkwürdiger Uebereinstimmung hın.
Es sind hier besonders folgende Momente hervorzuheben :
1) Der ewige Landfriede von 1495 entzog durch scine
allgemeine Beseitigung des Fehderechtes den Landständen das kräf-
tige Mittel der bewaffneten Selbsthilfe, welches der Landesherr, als
Inhaber der Staatsgewalt, ihnen gegenüber, behielt. Besonders
bedeutsam wurde dies, seitdem an die Stelle des Lehensaufgebotes