Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

VORWORT. v 
wegt, und dass weder die ausschliessliche Beschäftigung mit dem 
Reichsstaatsrechte, noch mit dem Staatsrechte eines, wenn auch 
noch so hervorragenden Einzelstaates das wissenschaftliche Bedürf- 
niss vollständig befriedigt, sondern dass nur eine organische Zu- 
sammenfassung beider Sphären dem Gesammtrechtsbewusst- 
sein der Nation auf dem Gebiete des Staatslebens vollkommen ge- 
recht werden kann. Besonders für den akademischen Unterricht halte 
ich es für geboten, dass die Diseiplin des deutschen Staatsrechtes 
in dem Sinne aufrecht erhalten und weiter entwickelt wird, dass 
das Reichsstaatsrecht mit dem Landesstaatsrechte zu einer wis- 
senschaftlichen Einheit verbunden wird. Es ist natürlich nur zu 
billigen, wenn die Reichsverfassung in besondern Vorlesungen in- 
terpretirt wird, wenn in den grössern Staaten (Preussen, Bayern) 
auch besondere Vorträge über das partikulare Staatsrecht gehalten 
werden, aber dabei darf die Vorlesung über das deutsche Staats- 
recht in seiner Gesammtheit nie aufgegeben oder nur in den Hin- 
tergrund gedrängt werden; sie muss auch fernerhin, als die zu- 
sammenfassende Einheit, als der Mittelpunkt der staats- 
rechtlichen Studien auf der Universität, betrachtet werden. Nur in 
einer Lehre, wo der Zusammenhang, die fortwährende Wechselwir- 
kung zwischen Reichs- und Landesstaatsrecht nachgewiesen wird, 
kommt unser bundesstaatlicher Organismus zur vollen 
Anschauung, in welchem das Staatsrecht des Gesammtstaates, 
wie der Einzelstaaten, zu einer höheren Einheit verbunden ist. 
Damit ist aber die Vermischung von Reichs- und Landes- 
staatsrecht methodisch nicht gerechtfertigt; Reich wie Einzelstaaten 
sind selbständige Glieder unseres staatsrechtlichen Gesammtor- 
ganismus. Dieser relativen Selbständigkeit beider muss 
auch die wissenschaftliche Darstellung Rechnung tragen; sie muss 
Reichs- und Landesstaatsrecht in ihrer Eigenthümlichkeit hervor- 
treten lassen und beide gesondert, wenn auch unter Hervorhe- 
bung ihrer fortwährenden Wechselbeziehung, als die sich ergän- 
zenden Haupttheile unserer staatsrechtlichen Theorie abhan- 
deln. Einer Vermischung beider steht vor allem der Umstand 
entgegen, dass es sich hier nicht um äquivalente Grössen, son- 
dern um Rechtsstoffe handelt, welehe eine durchaus verschiedene 
Juristische Konstruktion erheischen. Das Reichsstaatsrecht wird
	        
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