Anhang. Verrfassung der drei freien Städte. 508
Unzweifelhaft sind diese drei Staaten Republiken, d.h.
Organ der Staatsgewalt ist nirgends eine physische Person, son-
dern durchweg eine Kollektivpersönlichkeit (S. 32). Nachdem
Frankfurt a. M., dessen Verfassung auf einer andern Grund-
lage ruhte, seit 1866 aus der Reihe dieser Staaten ausgeschieden
ist, zeigt sich in der Organisation der Staatsgewalt in den drei
freien Städten eine Uebereinstimmung, welche auf uralte hansca-
tische Staatsanschauungen und Einrichtungen zurückgeführt werden
kann. In denältesten Recessen, wie in den neuesten Grundgesetzen
der freien Städte erscheinen als selbstberechtigte Inhaber der Staats-
gewalt der Senatunddie Bürgerschaft, sodass hier eine aus De-
mokratic und Aristokratie gemischte Verfassung anzunehmen ist".
Diese beiden Träger der Staatsgewalt werden aber als eine Einheit
gedacht, wie dies der Hamburger Hauptrecess von 1712, in wel-
chem das alte Hamburger Verfassungsrecht, mit ausdrücklicher Ab-
weisung aller entgegenstehenden "Theorien, energisch zusammenge-
fasst wird, mit klassischer Bestimmtheit ausspricht: »Hiermit wird
als ewiges, unveränderliches und unwiderrufliches Fundamentalge-
setz festgestellt und bekräftigt, dass solch ro xuptov oder das höchste
Recht und Gewalt bei E. E. Rath und der erbgesessenen Bürgerschaft
inseparabili nexu, conjunctim und zusammen, nicht aber bei einem
oder dem andern Theile privatıve bestehe und dass dahero, solange
Rath und Bürgerschaft nicht zu einem einmüthigen Beschlusse kom-
men, des einen Theiles Resolution und Entschliessung für keinen gül-
tigen, weder E. E. Rath noch die Erbgesessene Bürgerschaft verbin-
denden Schluss geachtet werden solle«.. Derselbe Grundsatz gilt
in den alten Verfassungen von Lübeck und Bremen ; ihm sind auch die
neuern Verfassungsurkunden treu geblieben. In der neuesten Re-
daktion der Hamburger Verfassung vom 13. Oktober 1879 heisst
es: »Die höchste Staatsgewalt steht dem Senat und der Bürgerschaft
gemeinschaftlich zu« ebenso auch in der Verfassung von
Bremen vom 17. November 1875: »Zur Ausübung der Staatsge-
walt bestehen, nach Massgabe ihrer durch die Verfassung bestimmten
Organisation und Wirksamkeit: A. Der Senat. B. Die Bürger-
schaft«. Die Lübecker Verfassung vom 7. April 1875 sagt gleich-
lautend A. 4: »Die Staatsgewalt steht dem Senate und der Bürger-
! Villersa.a.0.8. 87 »Les constitutions, que l’on vient d’ exposer, sont
toutes trois mixtes et composees d’un melange de democratie et d’ aristocratie,
qui se temperent mutuellement .... Le pouvoir supr&me reside en commun et
egalcment dans le senat et la bourgeoisie.«
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