Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

1. Von der Gesetzgebung, 921 
$ 185. 
II. Entstehung der Gesetze nach konstitutionellem Staatsrechte. 
1) Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetz- 
gebung. 
Bei dem unentwickelten Charakter der deutschen Territorien 
im Mittelalter war die Gewalt der Landesherren wesentlich exekutiver 
Natur, von einer Gesetzgebung anfangs kaum noch die Rede. Erst 
durch Verbindung der landesherrlichen Amtsgewalt mit der Auto- 
nomie der Landesgemeinde oder Landschaft wurde seitdem XV. Jahr- 
hundert etwas Gesetzesähnliches zu Wege gebracht, welches aber 
mehr den Charakter einer Vereinbarung zwischen zwei Faktoren, 
als eines Ausdruckes des einheitlichen Staatswillens an sich trug. 
Als aber in den grösseren Territorien seit dem XVII. Jahrhundert 
der Staatsbegriff mehr und mehr zum Durchbruch kam, geschah 
dies in der Form des fürstlichen Absolutismus, welcher die 
Stände immer mehr von dem politischen Gebiete zurückzudrängen 
und sie zu privatrechtlichen Korporationen herabzudrücken suchte 
(S.453). Im Staate des XVILL. Jahrhunderts lag die gesetzgebende 
Gewalt ausschliesslich in der Hand des Monarchen ;; so besonders 
ım Staate Brandenburg-Preussen, dessen umfassende legislatorische 
Thätigkeit lediglich von seinen Herrschern ausging. Aber selbst 
ın den Ländern, wo (wie in Württemberg, Mecklenburg) die stän- 
dische Verfassung sonst in Kraft geblieben war, ist gerade auf dem 
Gebiete der Gesetzgebung die 'Theilnahme der Stände mehr oder 
weniger verkümmert (8. 449). 
Die ersten konstitutionellen Verfassungsurkunden Deutsch- 
lands schliessen sich eng an die älteren landständischen Verhältnisse 
an, indem sie, von dem allgemeinen landesherrlichen Gesetz- 
gebungsrechte ausgehend, diejenigen Gegenstände zu bezeichnen 
suchen, wo die Mitwirkung der Landstände einzutreten hat. Die 
älteste konstitutionelle Verfassung, das sachsen - weimarische 
Grundgesetz vom 5. Mai 1816, legt den Ständen das Recht beı: 
»an der Gesetzgebung in der Art theilzunehmen, dass neue Ge- 
setze, welche die Landesverfassung betreffen oder die persönliche 
Freiheit, die Sicherheit oder das Eigenthum der Staatsbürger im 
ganzen Lande oder in einer ganzen Provinz zum Gegenstande 
haben und eben deshalb das Allgemeine angehen, ohne ihren, der
	        
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