Von der Justiz. 539
tende Maximen aufstellen, aber man kann nicht als ein vernunft-
rechtliches Postulat erklären, diese Sache gehören vor die Gerichte,
jene vor die Verwaltungsbehörden. Auch diese zweite Frage
nach solchen allgemeinen Gesichtspunkten a priori entscheiden zu
wollen, ist ein Fehler der bisherigen Theorie, welchen wir schon
anderwärts bekämpft haben. Nichts fördert die Sache mehr, als
die Einsicht, dass die Abgrenzung zwischen Gerichten und Ver-
waltungsbehörden rein positiven Rechtes und zu verschie-
denen Zeiten und in verschiedenen Staaten sehr verschieden ge-
zogen worden ist.
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2) Objektiver Unterschied zwischen Rechtssachen
und Verwaltungsangelegenheiten.
Ueberall, wo der Staat handelt, um ein Recht gegen
eine geschehene Rechtsverletzung zu vertheidigen,
liegt eine Rechtssache vor, zu deren Begriffe somit folgende
Merkmale gehören:
a) einRecht im subjektiven Sinne, d.h. welches zur
Rechtssphäre einer bestimmten Person gehört, mag diese ein Indi-
viduum, eine Korporation oder der Staat selbst sein. Auf den Ge-
genstand des Rechtes kommt es dabei nicht an; es kann sich hier
ebensogut um Vermögensrechte rein privatrechtlicher Art, als um
öffentliche Rechte der Bürger handeln. Auch kann ein Recht im
subjektiven Sinne ebensowohl auf einem speziellen Titel, als auf
einem Gesetze beruhen;
b) ein solches Recht muss thatsächlich verletzt oder we-
nigstens bestritten sein. Wer der Verletzende oder Bestrei-
tende ist, erscheint dabei eben so gleichgültig, als der Gegen-
stand des Rechtes. Wenn der Nachbar in meinen Hof unbe-
fugter Weise seinen Tropfenfall verlegt, oder wenn der Magistrat
einen Wahlberechtigten von der Wahlurne zurückweist, oder wenn
die Aushebungsbehörde einen gesetzlich Befreiten, z. B. einen
Mediatisirten, zum Rekruten aushebt, so liegt in diesen Fällen
gleichmässig eine Rechtsverletzung vor, welche zur Rechtssache
wırd, sobald der Verletzte die Hülfe des Staates anruft;
c) es müssen bestimmte gesetzliche Normen oder über-
haupt Rechtsvorschriften vorhanden sein, unter welche die Ver-
letzung gebracht und nach welchen die Beseitigung derselben von
Staatswegen ausgesprochen werden kann.