576 II. Von den Funktionen des Staatsorganisinus.
schaft des Staates gleicht darin der Wirthschaft der Privaten, dass
sie die Aufgabe hat, die durch die wirthschaftlichen Bedürfnisse
erzeugten Ausgaben, den Bedarf, durch entsprechende Ein-
nahmen zu decken und das Gleichgewicht zwischen Ausgaben
und Einnahmen herzustellen und zu erhalten. Beide Wirthschaften
stehen somit unter den gleichen Regeln, welche aus dem \Vesen
der Wirthschaft überhaupt entspringen; dennoch sind sie
auch wieder sehr verschieden und folgen anderen Gesetzen,
indem die Staatswirthschaft sich nicht nur durch ihre Gross-
artigkeit und Mannigfaltigkeit, sondern auch durch ihr inneres
Wesen, besonders durch ihre Zwecke und die Art der Ein-
künfte, welche sie aus der ganzen Fülle des Volksvermögens
schöpft, von der Privatwirthschaft unterscheidet. Die systema-
tische Entwickelung der Regeln, welche sich auf die Führung des
Staatshaushaltes, auf die Besorgung der Staatsausgaben, die Be-
schaffung der Staatseinnahmen und die Herstellung des wirth-
schaftlichen Gleichgewichts zwischen beiden beziehen, bilden den
Inhalt der Finanzwissenschaft. Aber nur soweit es sich darum
handelt, die Ausübung der Staatsgewalt auf dem Gebiete des Fi-
nanzwesens rechtlich zu bestimmen, die Befugnisse der ver-
schiedenen zusammenwirkenden Organe auf diesem Gebiete gegen
einander abzugrenzen, haben wir es hier mit den Finanzen zu
thun. Nicht die Finanzwissenschaft, nur das Finanzrecht, ist
unsere Aufgabe. Dies aber steht im engsten Zusammenhange mit
der staatsrechtlichen Gesammtentwickelung, besonders mit der
Ausbildung des Begriffes der Staatspersönlichkeit. Erst mit
der Anerkennung dieser arbeitete sich aus der fürstlichen Patri-
monialherrschaft des Mittelalters eine wahre Staatswirthschaft
heraus, wurde der Staat als das Subject vermögensrechtlicher Be-
ziehungen anerkannt, kam der Begriff eines wahren Staatsver-
mögens zum Durchbruche.
$ 204.
I. Vom Staatsvermögen.
Die Persönlichkeit des Staates in ihren vermögensrechtlichen
Beziehungen wird als Fiskus bezeichnet. Man darf sich die Sache
nicht so denken, als ob der Staat mehrere Persönlichkeiten
bilde!, eine staatlich herrschende und eine private, vermögens-
I Dies war die bedenkliche Tendenz der unter Kamptz’schem Einflusse