582 II. Von den Funktionen des Staatsorganismus.
dem Patrimonialstaate angehörige Verhältniss des Kammergutes
eine gesetzliche Regelung (S. 200). Unter dem Einflusse der Wis-
senschaft kam eine durchgreifende Reform des Steuerwesens zu
Stande, indem auf dem Gebiete der direkten Steuern die Ertrags-
und Einkommensteuer eingeführt wurde, indem an die Stelle der
Accise ein rationelleres System der indirecten Steuern trat. Ueberall
wurden die Exemtionen der privilegirten Stände und des ritter-
schaftlichen Grundbesitzes aufgehoben und als Verfassungssatz
ausgesprochen, »dass die Staatsbürger zu den Staatslasten auf ver-
hältnissmässig gleiche Weise beizutragen haben« (S. 363). An die
Stelle des einseitigen Steuerbewilligungsrechtes der
alten Landstände trat das allumfassende Budgetrecht
der neueren Volksvertretung, welches in den Verfassungs-
urkunden seine Regelung fand und als Grundlage des ganzen kon-
stitutionellen Finanzrechtes einer emgehenden Erörterung bedarf.
III. Das Budgetrecht der Volksvertretung!.
$ 206.
1) Der Etat als wirthschaftlicher Voranschlag?.
Jede irgendwie umfangreichere, ausgedehntere Wirthschaft
eines Privatmannes, einer Gesellschaft oder Korporation bedarf
eines periodischen Voranschlages ihrer Ausgaben und Ein-
1 Die staatsrechtlichen Befugnisse der Volksvertretung auf dem Gebiete
des Finanzrechtes werden in allen oben erwähnten Werken über allgemeines,
deutsches und partikulares Staatsrecht erörtert; speciell beschäftigt sich mit der
Frage: Frieker, Die Natur des Steuerverwilligungsrechtes und des Finanz-
gesetzes. (Tübinger Zeitschr. für die gesammte Staatsw. B. XVII. Jahrg. 1861.
S.636— 702.) R. Gneist hat das Verdienst, in seiner Schrift »Budget und Gesetz
nach dem konstit. Staatsrechte Englands mit Rücksicht auf die deutsche Reichs-
verfassung« (Berlin 1867) zuerst die wahre Bedeutung des englischen Budget-
rechtes dargelegt und die Irrthümer des kontinentalen Liberalismus vulgaris ent-
hüllt zu haben. Die schärfste juristische Erörterung aller einschlagenden Fragen
findet sich in den beiden Schriften P. Laband’'s, Das Budgetrecht nach den
Bestimmungen der preussischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der
Verfassung des norddeutschen Bundes (Berlin 1871), und das Finanzrecht des
deutschen Reiches. Leipzig1873. Vergl. über diese Schriften meinen Aufsatz
in der Zeitschr. für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart »über das
Finanzrecht der Reichs- und Landtage«. B. I. 1874. Trotz mancher Anfech-
tungen, die der in diesem Aufsatz eingenommene Standpunkt erfahren hat, bin
ich nach reiflicher Erwägung demselben treu geblieben und halte ebenso an
allen im preussischen Staatsrechte entwickelten Grundsätzen unentwegt fest.
2 L. v. Stein, Finanzwissensch. B. II. 36 f. Rau-Wagner Abth.1.
88 82—83. 8.198 ff. C. v. Czörnig: System. Darstellung des Budgets von