616 II. Von den Funktionen des Staatsorganismus.
Anstalten und Einrichtungen des Staates als »„gemeinnützige«
anzusehen sind. Ihren verfassungsmässigen Einfluss auf das ge-
sammte Gebiet der inneren Verwaltung übt die Volksvertretung
durch ihr Budgetrecht, durch ihre Theilnahme an der Gesetz-
gebung und durch ihr Recht der nachträglichen Kontrolle der
gesammten Verwaltung.
2) Durch die Verfassung selbst sind bestimmte gesetzliche
Grundsätze festgestellt, wodurch die persönliche Freiheit der Bürger
und das individuelle Eigenthum derselben als unverletzbare Rechts-
sphäre, allen möglichen Eingriffen der Staatsgewalt gegenüber, fest-
gestellt wird. Diese negativen Freiheitsrechte der Bürger, soge-
nannte Grundrechte, bilden ebensoviele Schranken der Staats-
zewalt, besonders der Polizei. (8. 367 ff.)
3) Während der absolute Staat des vorigen Jahrhunderts das
ganze Volksleben in sich aufgehen lassen und alle Thätigkeit für
das Gemeinwohl für sich und seine Beamten monopolisiren wollte,
betrachtet der Staat der Gegenwart seine Thätigkeit auf dem Ge-
biete der Kulturaufgaben nur als eine aushelfende, subsidiäre.
Der Staat soll nur da helfen, wo der Einzelne sich nicht mehr helfen
kann. Der Staat soll und kann durch seine Verwaltung nicht den
Einzelnen wohlhabend, gebildet, sittlich machen, sondern er soll
nur die äusseren Bedingungen der persönlichen und wirth-
schaftlichen Entwickelung herstellen, welche der Einzelne sich nicht
zu schaffen vermag.
4) Im Verfassungsstaate der Gegenwart stehen zwischen dem
Staate und dem Individuum kleinere korporative Verbände mit einer
selbständigen Rechtssphäre als Körper der Selbstverwaltung.
Ihnen überlässt der Staat in möglichst weitgehender Weise die Auf-
gaben der inneren Verwaltung und zwar so, dass in stufenweiser
Ueberordnung immer der grössere Körper eıst da eintritt, wo die
Kraft des kleineren nicht ausreicht. In Gemeinde, Kreis und
Provinz baut sich das System der Selbstverwaltung auf, zu wel-
chem die Centralgewalt des Staates in letzter Instanz ergänzend,
beherrschend und regulirend hinzutritt. In dem Gedanken der
Selbstverwaltung ist die Ausgleichung zwischen den grossen
gesellschaftlichen Gegensätzen der Gegenwart, zwischen einer kräf-
tigen staatlichen Ordnung und einer gesicherten individuellen Frei-
heit gegeben. Vor allem kommt es darauf an, die dem Staate un-
entbehrliche, aber der bürgerlichen Freiheit gefährliche Polizeige-
walt möglichst in die Hände der Selbstverwaltungskörper zu legen,