Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

618 Il. Von den Funktionen des Staatsorganismus. 
Staaten, mit dem Staatensysteme und der Stellung jedes einzelnen 
Staates in demselben zu thun hat. Diese auswärtige Staatskunst 
wird seit dieser Zeit regelmässig »Politik« genannt, während die 
Gesammtheit aller Thätigkeit der Obrigkeit für das innere Staats- 
leben nun »P olizeic« heisst. 
Etwas später vollzieht sich ein weiterer Scheidungsprocess, indem 
den Polizeisachen die Justizsachen entgegengesetzt werden, 
welche sich, wegen ihrer begrenzten Aufgabe, ihrer fest bestimmten 
Behörden, ihres im Processe genau geregelten Geschäftsganges. 
leicht von den übrigen Angelegenheiten der inneren Staatsthätig- 
keit abheben. Ebenso leicht trennten sich die Militärsachen 
vom Polizeiwesen. Länger dauerte es, bis die Finanz- und 
Kameralsachen von den Polizeiangelegenheiten geschieden 
wurden, da das finanzielle Interesse für lange die ganze innere Ver- 
waltung beherrschte. So bestimmte sıch nach allen diesen Aus- 
scheidungen der Begriff der Polizei zunächst ganz negativ, d.h. 
es gehörte zu ihr Alles, was weder Kirchensache, noch auswärtige 
Angelegenheit, und von den inneren Angelegenheiten weder Justiz-, 
noch Miılitär-, noch Finanzsache war. Es fiel somit unter den Be- 
griff der Polizei das ganze Gebiet der inneren Verwal- 
tungim heutigen Sinne. Diese Identificirung der Polizei mit 
der inneren Verwaltung, der Polizeiwissenschaft mit der Verwal- 
tungslehre, ist aus der ganzen Richtung der damaligen Staatsthätig- 
keit wohl zu erklären. In der Zeit, wo das Wort »Polizei« zuerst 
auftauchte, war die Gesellschaft soeben erst aus der Periode des 
Fehdewesens hervorgegangen. Sicherheit und Ordnung ist 
das erste Bedürfniss der jungen staatsbürgerlichen Gesellschaft; 
daher liegen in der Sicherheitspolizei, »conservatio pacis«, die 
ersten Anfänge der inneren Verwaltung, welche als eine noth- 
wendige Ergänzung der richterlichen Thätigkeit erscheint und meist 
von denselben Behörden gehandhabt wird. Wenn seit dem XVII. 
und XVIII. Jahrhundert auch zu dieser negativen Thätigkeit 
eine positive Sorge für das Wohl der Staatsangehörigen hinzutritt, 
so denkt man bei dieser sogenannten Wohlfahrtspolizei wesent- 
lich immer nur an das, wozu der Staat den Einzelnen um seiner 
eigenen Wohlfahrt willen zwingen kann. Dem vorigen Jahrhundert 
erscheint die ganze Verwaltung als eine zwingende Gewalt. 
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts beginnt auch die 
Wissenschaft den Begriff der Polizei zu definiren, ohne Jedoch zu 
irgend einer Klarheit oder festen Abgrenzung gegen andere Zweige
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.