Die Verwaltung. 639
a.a.0. 8.334), während es in den deutschen Staaten an jeder Recht-
sprechung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts fehlte. Die
sogenannten Enklaven, welche man den ordentlichen Gerichten
ausnahmsweise überlassen hatte, kamen kaum in Betracht. Dagegen
wurden die zur Rechtsprechung geeigneten Fälle des öffentlichen
Rechtes, welche in Frankreich zur richterlichen Entscheidung des
Staatsrathes gehörten, in den meisten deutschen Staaten lediglich
der Ministerialinstanz überwiesen. Der Versuch, welchen man in
Preussen und den süddeutschen Staaten gemacht hatte, nach fran-
zösischem Vorbilde einen Staatsrath zu errichten, blieb für das Ver-
waltungsrecht ziemlich erfolglos, weil man nicht den Muth hatte,
ihn zur entscheidenden Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu
machen. Nur in Württemberg kam der Geheime Rath als ent-
scheidende Behörde in Verwaltungsstreitigkeiten zu einer frucht-
baren Entwickelung und wurde bedeutsam für die Befestigung des
Verwaltungsrechtes und den Rechtsschutz der Unterthanen (Vergl.
hierüber besonders v. Sarweya.a.O.,$11.8.255ff.). In Preussen
hatte derStaatsrath nurBedeutung aufdem Gebiete der Gesetzgebung.
Die in Bayern, Baden und Hessen-Daımstadt errichteten Staats-
räthe verküimmerten an ihrer geringen Kompetenz. In Baden wurde
derselbe ganz aufgehoben; in Bayern und Hessen blieb die Zu-
ständigkeit des Staatsrathes so beschränkt, dass in der Regel die
Minister gleichfalls die höchste Instanz in deu der Rechtsprechung
der Civilgerichte entzogenen Streitsachen des öffentlichen Rechtes
waren. In den meisten deutschen Staaten, insbesoridere in Preussen,
lag die höchste und letzte Entscheidung in allen Verwaltungs-
angelegenheiten, einschliesslich aller Verwaltungsrechts-
sachen, in der Ministerialinstanz. In der Regel übte ein einzelner
Minister die endgültig entscheidende Verwaltungsgerichtsbarkeit
persönlich in seinem Departement aus. Somit war das ganze Ver-
waltungsrecht und damit der Rechtsschutz der Bürger auf dem Ge-
biete des Öffentlichen Rechtes der Diskretion und den wechselnden
Anschauungen eines Einzelbeamten überlassen. Dieser Zustand
wurde geradezu unerträglich, als mit Durchführung des konstitu-
tionellen Systems die Minister nothwendig mehr und mehr ın das
Parteitreiben gezogen wurden und ausser Stande waren, bei Ent-
scheidung von Verwaltungsstreitigkeiten ihr Parteiprogramm ganz
zu verläugnen. Mit jedem Ministerwechsel musste das Verwal-
tungsrecht sich eine andere Auslegung gefallen lassen, doch dauerte
es lange, bis der nur mit konstitutionellen Verfassungsfragen be-