Die Verwaltung. 641
instanz, Errichtung eines obersten Verwaltungsgerichtshofes in un-
abhängiger richterlicher Stellung, welcher eine ähnliche Central-
rechtskontrolle der Verwaltung zu übernehmen hätte, wie die eng-
lischen Reichsgerichte, so lauteten seine Postulate, welche schneller,
als man geahnt, in der Praxis unseres Staatslebens Verwirklichung
gefunden haben.
Der erste deutsche Staat, welcher die Organisation der Ver-
waltung und der Verwaltungsrechtspflege in die Hand nahm, war
Baden, durch das bahnbrechende Gesetz vom 5. Oktober 1863
(S. 439). Ilier wurde besonders zum ersten Male das bürgerliche
Ehrenamt, das sogenannte Laienelement, in bedeutsamer Weise zur
Verwaltungsrechtspflege herangezogen !. (Eine weitere Fortbildung
erhielt die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Gesetz vom
24. Februar 1880. Referat von Bluntschli in der ersten Kammer.
Prot. vom 30. Januar 1550.) Den grössten Fortschritt in der Ent-
wickelung des öffentlichen Lebens für Preussen und mittelbar für
ganz Deutschland enthält die grosse preussische Beformgesetz-
gebung, welche mit der Kreisordnung vom 13. December 1872 ein-
geleitet wurde?. Ausgesprochener Zweck dieser Reform ist: »den
in dem öffentlichen Rechte begründeten Itechten der Einzelnen
einen gleichartigen Schutz zu gewähren, wie er den Privatrechten
durch die Civilgerichtsbarkeit zu Theil geworden ist.« Die Ver-
waltungsrechtspflege baut sich hier von unten in drei Instanzen
organisch auf. In der untersten Instanz, dem Kreis- und Stadt-
hause, ist das bürgerliche Ehrenamt ausschliesslich vertreten, in der
mittleren ist es mit dem Berufsbeamtenthum verbunden, ın der
obersten Instanz, dem Öberverwaltungsgerichte, ist das Berufs-
1 Vergl. besonders Weizel, Das badische Gesetz über die Organisation
der inneren Verwaltung. Karlsruhe 1564. ©
2 Mein preussisches Staatsr. B. II. $ 277. 8. 871. Die Gesetze selbst sind
herausgegeben von M. v. Brauchitsch, Die Organisationsgesetze der inneren
Verwaltung für die Provinzen Preussen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und
Sachsen. Berlin 1876. Es finden sich daselbst gute einleitende Bemerkungen
und eine übersichtliche Darstellung der verwickelten Kompetenzverhältnisse der
einzelnen Behörden. Die neuesten Gesetze giebt C. Pfaffenroth, Die ge-
sammten ÖOrganisationsgesetze für die innere Verwaltung des preussischen
Staates. Berlin und Leipzig 1831. Wohlers, Das Gesetz, betreffend die Ver-
fassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren vom 3. Juli
1575, 2. August 1880. Berlin 18851. Besonders werthvoll ist die Sammlung
der Entscheidungen des preussischen Oberverwaltungsgerichts von Jebens
und v. Meyeren (Berlin, bis jezt 5 Bände), welche auch meist theoretisch vor-
trefflich in ihren Entscheidungsgründen formulirt sind.