1. Die Zeiten des ältern deutschen Reiches. 53
stände, aber es gab auch Reichsunmittelbare, welche nicht reiclıs-
ständisch waren, z. B. die wirklichen Reichsritter, die Mitglieder der
Reichsgerichte.
828.
3) Das Reichsoberhaupt'.
Seit dem Ausgange der Hohenstaufen und seit dem Interregnum
war Deutschland ein reines Wahlreichgeworden. Vordem 14. Jahrh.
bestand keine grundgesetzliche Regel über die Königswahl?. Die
Auszeichnung gewisser Fürsten, als Kurfürsten, bildete sich allmälig
durch ein Herkommen, welches ın der goldenen Bulle seine reichs-
gesetzliche Sanktion gefunden hat. Wer zum Könige gewählt werden
kann, war durch die Gesetze nicht bestimmt. Die goldne Bulle ver-
langte einen »gerechten, guten und nützlichen Mann«, das Herkom-
men einen semperfreien, d.h. dem hohen oder reichsständischen
Adel angehörigen Mann. Nach den thatsächlichen Verhält-
nissen konnte nur ein mit grössern Erblanden begüterter Fürst ge-
wählt werden. Von 1438—1740 und dann wieder von 1745—1806
richtete sich die Wahl stets auf den Chef des österreichischen Hauses
(erst Habsburg, dann Habsburg-Lothringen). Die Wahl geschah
nach Stimmenmehrheit der Kurfürsten. Jeder IThronkandidat musste
vor seiner Thronbesteigung die Wahlkapitulation beschwören,
welche ihm die Kurfürsten für sich und die gesammten Reichs-
stände vorlegten, als den wichtigsten Grundvertrag des deutschen
Wahlreiches. wenn derselbe auch immer nur für die Lebenszeit des
bestimmten Kaisers galt. Die Wahl fand zu Frankfurt am Main statt,
wo seit den Zeiten Ferdinand’s I. auch die Krönung vorgenommen
1 J. J. Moser, Von den kaiserlichen Regierungsrechten und Pflichten,
2 Thle. Frankf. 1772. Ch. G. Biener, Bestimmung der kaiserlichen Macht-
vollkommenheit in der deutschen Reichsregierung. Leipzig 1780.
2? G. Phillips, Die deutsche Königswahl bis zur goldenen Bulle, Wien
1858 (von neuem abgedruckt in dessen vermischten Schriften. Wien 1860).
3 Capitulationes imperatorum et regum Romano-germanorum Caroli V.,
Ferdinandi I., Max. II., Rudolfi II., Mathiae, Ferdinandi II., Ferdinandi III.,
cum annotamentis Joannis Limnaei, ed. II. Arg. 1658. 4. Die Wahlkapitulation
Karl’s V. findet sich bei Oertela.a. OÖ. Nr. IX, S. 139, ebenso die Franz’ Il.,
Nr. XIII S. 442. Ueber diese letzte Wahlkapitulation handeln Fr. A. Schmel-
zer, Kaiserl. Wahlkap. Sr. Maj. Franz II. mit kritischen Anmerkungen und
einem Versuche ihres Vortrages in gereinigter Kanzleisprache. Helmstädt 1793.
A. Fr. W. Crome, Die Wahlkapit. der römischen Kaiser, Teopold’s II. und
Franz’ II. mit historischen und publicistischen Anmerkungen und Erklärungen.
Lemgo 1794, 4.