l. Die Zeiten des ältern deutschen Reiches. 55
dern übte seine Gerichtsbarkeit durch die Reichsgerichte aus. 3) Der
Kaiser hatte die völkerrechtliche Vertretung des Reiches nach
aussen, doch konnte er ohne Zustimmung des Reichstages keinen
Reichskrieg erklären, keinen Frieden schliessen, keine Bündnisse
eingehen; 4) der Kaiser übte die lehensherrlichen Rechte des Reichs,
als prodominus, aus; 5) er hatte eine Reihe von Reichsämtern zu
besetzen; 6) er galt als die Quelle aller Gnaden und Ehren, gewisse
Privilegien konnte nur er ertheilen, so Universitätsprivilegien und
Adelstitel.
Ausnahmsweise konnte schon bei Lebzeiten des Kaisers sem
Nachfolger erwählt werden, welcher alsdann den Titel»römischer
König« führte. Der Gewählte musste die Kapitulation beschwören
und wurde sofort gekrönt, durfte während Lebzeiten des Kaisers
sich nicht in die Regierung mischen, succedirte aber nach dem
Tode desselben ohne neue Krönung und Kapitulation.
War dagegen kein solcher römischer König gewählt, so waren
nach altem Herkommen und reichsgrundgesetzlicher Bestimmung
dder goldnen Bulle Cap. V$ 1 und 2 der Pfalzgraf bei Rhein und der
Herzog von Sachsen Reichsverweser, vicanı imperüi, in den
deutschen Landen »ad manus futuri regis Romanorum«!. Nur
solche Geschäfte, welche ihrer Natur nach untheilbar waren, führten
beide Reichsverweser gemeinsam; im übrigen hatten sie getrennte
Bezirke, der Pfalzgraf bei Rhein »in partibus Rheni ac Sueviae et in
Jure Franconico«, der Ilerzog von Sachsen »in locis, ubi jura Saxo-
nica servantur«.
8.29.
4) Der Reichstag.
Der Reichstag ist neben dem Kaiser Mitträger der Reichsge-
walt. Bei allen wichtigeren Reichsgeschäften bedurfte der Kaiser
der Mitwirkung und Zustimmung des Reichstages, doch liess
sich auch der Reichstag ohne den Kaiser nicht denken. Beide zu-
sammengenommen, der Kaiser auf der einen und das Corpus der
Reichsstände auf derandern Seite, machten den allgemeinen Reichs-
tag aus, sowie das englische Parlament auch den König mitbegreift,
»rex in parliamento«. Der Reichstag war die vom Reichsoberhaupte
! J.v.Sartori, Reichsvikariatisches Staatsrecht. Augsb. 1790. Pütter,
inst.$504. Häberlin, B. III. $ 504. 8. 676. J. P. O. VIII. $3. Wahlkap.
1792. A. III. $14—18. X1.8$7. XII. $9.
2 J.J. Moser, Von den deutschen Reichstagen. 1774. 2 Thle. Pütter,
inst. & 136. Häberlin, B.1.$136.8.463 fl.