Das Rechtsverhältniss des Staates zur Kirche. 689
Kirche, besondersauchin Preussent. Kurz, das Kirchen-
regiment des Landesherrn wurde beibehalten, nur organisch eni-
wickelt und durchdrungen von den ‚Befugnissen einer mitwirken-
den Vertretung der Landeskirche (Generalsynode). Doch werden
jetzt die in der Hand des Monarchen vereinigten Rechte !der
Kirchenhoheit und des Kirchenregiments unterschieden.
Die Funktionen der Kirchenhoheit übt der Monarch unter Mit-
wirkung eines verantwortlichen Staatsministers (Kultusminister)
und bedarf beim Erlasse von Gesetzen der Zustimmung des Land-
tages, die Funktionen des Kirchenregiments übt er unter Mitwirkung
kirchlicher Behörden (des Oberkirchenrathes, der Konsistorien), für
rein kirchliche Gesetze bedarf er der Zustimmung der General-
synode. Trotz dieser jetzt mehr hervortretenden Unterscheidung
der verschiedenartigen Funktionen hat man es in der Regel nıcht
für nöthig gehalten, die kirchenhoheitlichen Rechte des Staates
über die evangelische Kirche gesetzlich festzustellen, weil man in
der Vereinigung des Kirchenregiments mit der Staatsgewalt in der
Person des Monarchen eine hinreichende Garantie gegen Ueber-
griffe zu haben glaubte. Erst die neueste preussische Gesetzgebung
hat bei Begründung der neuen Kirchenverfassung darauf Bedacht
genommen, gewisse kirchenhoheitliche Rechte auch der evan-
gelischen Kirche gegenüber festzustellen. Vor allem ist in dem
Gesetz, betr. die evangelische Kirchenverfassung vom 3. Juni 1876
Art. 13, in Betreff der kirchlichen Gesetzgebung folgendes
kirchenhoheitliche Recht festgestellt: »Kirchliche Gesetze und Ver-
ordnungen sind nur so weit rechtsgültig, als sie mit einem Staats-
gesetze nicht im Widerspruche stehen. Bevor ein von einer
Provinzialsynode oder von einer Generalsynode beschlossenes Ge-
setz dem Könige zur Sanktion vorgelegt wird, ist durch eine Er-
klärung des Staatsministeriums festzustellen, dass gegen das
Gesetz von Staatswegen nichts zuerinnernist. In der
Verkündigung ist diese Feststellung zu erwähnen.« Noch weiter-
gehende Erfordernisse sind zur Gültigkeit kirchlicher Steuergesetze
eingeführt. Art. 15 verfügt: »Kirchengesetze, durch welche neue
Ausgaben zu landeskirchlichen Zwecken bewilligt werden, und die
endgültige Vereinbarung zwischen der Generalsynode und der
! Das Programm dieser neuen, auf praktische und erreichbare Ziele ge-
richteten Bewegungtist am bestimmtesten ausgesprochen von E. Herrmann,
Die nothwendigen Grundlagen einer die konsistoriale und synodale Ordnung
vereinigenden Kirchenverfassung. Ein Kirchenvortrag. Berlin 1562.