1. Die Zeiten des ältern deutschen Reiches. 57
bBevollmächtigte mit gesandtschaftlichem Charakter, welche von den
Instruktionen ihrer Auftraggeber abhängig waren. Der Kaiser wurde
vertreten durch seinen Principalkommissarius, welchem ein Kon-
kommissarius zur Seite stand. Die regelmässige Veranlassung zu
den Berathschlagungen gab der Kaiser durch seine Propositionen ; !
doch stand den Reichsständen ebenso die Initiative zu. Die wırk-
liche Berathschlagung und Abstimmung fand getrennt in den drei
Kollegien statt. Die beiden obern Kollegien suchten durch Re- und
Korrelation sich zu einem gemeinsamen Schlusse zu vereinigen. War
ein solches »conclusum commune duorum« zu Stande gekommen.
so beganı nun die Verhandlung mit dem Kollegium der Reichs-
städte in gleicher Weise. 'Trat dieses bei, so hiess nun der Beschluss
»commune trium« und wurde als Reichstagsgutachten, »consultum s.
suffragium imperiü«, an den Kaiser gebracht. Genehmigte dieser das
Gutachten: durch ein Ratıfıkationsdekret, so war es dadurch in einen
Reichsschluss, »conclusum imperti«, verwandelt, welcher vollziehbar
und publikationsfähig war. Am Ende eines Reichstages wurde das
daselbst zwischen Kaiser und Ständen Vereinbarte zusammengestellt
und als Reichsabschied, »Itecessus imperii«, publicirt. Dieser Ge-
brauch fiel natürlich mit der eingetretenen Permanenz des Reichs-
tages hinweg, daher datirt der jüngste Reichsabschied von 1654.
Ein Reichsschluss konnte nur dann verfassungsmässig zu Stande
kommen, wenn der Kaiser und alle drei reichsständischen Kollegien
übereinstimmten. Nicht Stimmenmehrheit, sondern Stimmenein-
heit der Kollegien war erforderlich. Innerhalb der Kollegien
entschied dagegen regelmässig die Stimmenmehrheit, nur aus-
nahmsweise war dieselbe ausgeschlossen in folgenden Fällen: a) bei
Religionssachen , b) in allen Fällen, wo die Stände nicht als Cor-
pus betrachtet werden konnten, »ubi status imperii tamquam unum
corpus considerari nequeunt«, oder mit andern Worten, wenn es
sich um die Rechte der Einzelnen, »jura singulorum«, handelte,
c) wenn die Reichsstände sich der Religion nach trennten und zwei
Theile gegeneinander ausmachten, »jus eundi in partes«. Sobald das
jus eundi in partes ausgeübt wurde, hörten die Reichsstände auch
in Ansehung der betreffenden Angelegenheit auf, Ein Corpus zu
sein, sie theilten sich vielmehr der Religion nach in zwei Corpora,
das Corpus Evangelicorum und Catholicorum. Gerade in diesem
Ausschluss der Stimmenmehrheit bei so wichtigen Punkten zeigt
1J.J. Moser Von den deutschen Reichstagsgeschäften. 1768.