l. Vie Zeiten des ältern deutschen Reiches. 65
Gelder mussten ganz zu dem Zwecke verwendet werden, für wel-
chen sie verwilligt waren ‚Appropriation deshalb musste (dem
Reichstage über ihre Verwendung Rechnung gelegt werden. Als
oberster Grundsatz des Reichsfinanzrechtes stand fest, dass »auch
in den zugelassenen nothdürftigen unverzüglichen Fällen die Steuer
und dergleichen An- und Auflagen, es sei zu Kriegs- oder Friedens-
zeiten, anders nicht als mit Rath, Wissen und \erwilligung der
Kurfürsten, Fürsten und Stände auf allgemeimen Reichstagen anzu-
setzen seien«. 1.P.O.&. VOLS 2. Wahlkap. A. V$ 1.2. Das
Steuerverwilligungsrecht des Reichstage. war ein völlig freies,
ungebundenes. Dagegen war von einer Feststellung des Reichs-
haushaltsetats ebensowenig die Rede, wie von einer Kontrolle des
zesammten Finanzwesens durch den Reichstag. Aus der Unregel-
mässigkeit und Armseligkeit der Finanzquellen ist zum grossen '[heil
der Verfall, die klägliche Machtlosigkeit und der endliche Unter-
sang des ältern deutschen Reichs zu erklären.
G. Polizeiwesen!.
Die Reichspolizeigewalt war in ıhrer Wirksamkeit durch die
Landesstaatsgewalt in die engsten Grenzen eingeschlossen, da die
Ausführung aller Massregeln lediglich in den Händen der Eiuzel-
stauten lag. Die Reichspolizeigesetzgebung [erste Reichs-
polizeiordnung von 1530), welche theils in eigenen V’olizeiordnungen,
theils in einzelnen Verordnungen über polizeiliche Gegenstände sich
ausgesprochen hatte, war in hohem Grade lückenhaft, wurde wenig
befolgt und gerieth fast ganz in Vergessenheit, da die allenthalben
erlassenen Landespolizeigesetze für sie kaum noch ein Gebiet der
Anwendung übrig liessen. Obgleich die Reichspolizeiordnung von
1577 weit hinter deu Anforderungen der Zeit zurückblieb. so
konnte man trotz aller Anläufe (1. PO. VIII. 8 2. 3.) sich nicht
über eine allgemeine Reichspolizeiordnung vereinigen; die von 1577
blieb die neueste, nur einzelne, die Reichspolizei betreffende Reichs-
schlüsse wurden publicirt, z.B. wegen Abstellung der Handwerks-
missbräuche, wegen der Duelle, wegen geheimer Verbindungen.
Bei der grossen staatlichen Zerstückelung des südlichen und
Juristisch das bedeutendste Werk aus der Reichszeit ist jedenfalls Gün-
ther Heinrich v. Berg, Handbuch des deutschen Polizeirechtes. Gött. 1799.
2. Aufl. I-V1I. 1802. Pütter, inst. 3331 ff. Häberlin, B. II. 8. 551 ff.
Häberlin’s Repertorium B. IV. Art. Polizei. Gerstlacher, corpus, juris
serm. B. I. Kap. IX. 8. 426. Derselbe. Handbuch der deutschen Reichs-
resetze Th. IX.
H. Schulze, Deutsches Staaisrecht.