74 1I. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Itechtszustandes in Deutschland.
Der Gründer eines modernen, einheitlichen Staatswesens, ın wel-
ches er den Keim des werdenden Grossstaates legte, ist Friedrich
Wilhelm der grosse Kurfürst /1640—1686). Alle die zahl-
reichen Herzogthümer Fürstenthümer und Grafschaften, welche
er bereits besass und noch hinzuer warb, hatten ıhre verschiedenen Ver-
fassungen, welche den privilegirten Ständen weitgehende Machtbe-
fugnisse einräumten und den Landesherrn aufs äusserste beschränk-
ten. Alle diese Länder waren aufs schärfste von einander geschieden
und ın dem privilegirten Ständethum fand der Partikularısmus seine
schroffsten Vertreter. So hatten diese verschiedenartigen Länder
ihren Mittelpunkt lediglich im Landesherrn. Von diesem allein
konnte der Versuch ausgehen, aus «liesem Aggregat von Ländern
einen einheitlichen Staat zu schaffen. Der staatliche Neubau konnte
nur auf monarchischer Grundlage, im Kampf mit dem partikulari-
stischen Ständethum geführt werden. Diesen Kampf eröffnete der
grosse Kurfürst auf der ganzen Linie von Kleve bis nach Preussen
und führte ihn siegreich durch. Bei seinem Tode war die Macht des
Ständethums auf dem politischen Gebiete vollständig gebrochen.
Alle staatliche Gewalt koncentrirte sich von nun an im Monarchen.
Besonders machte der grosse Kurfürst sein Finanzwesen unabhängig
von ständischer Bewilligung und legte feste ökonomische Grund-
lagen für seine Ileereseinrichtungen. Er schuf eine anschnliche
stehende Armee und gewann damit einen bedeutsamen Einfluss auf
die europäische Politik. Durch den Frieden von Wehlau 1657 und
Oliva 1660 erwarb er die Anerkennung der Souveränetät des Iler-
zogthums Preussen, welches ausserhalb des deutschen Reichsver-
bandes stand. Bis zu den Zeiten Friedrich Wilhelm’s gab es keinen
(sesammtstaat, sondern nur einzelne Länder, welche in weiter Aus-
dehnung vom Niemen bis über den Rhein, ohne äussern und Innern
Zusammenhang untereinander, zerstückelt dalagen. Aus diesen
disparaten Elementen galt es einen Staat zu schaffen, eine neue
Macht im alten Europa. Die Gründung des brandenburgisch-preussi-
schen Staates ist das grossartige liesultat «der staatsmännischen Ar-
heit eines einzigen Mannes.
Das machtvoll emporgewachsene Staatsgebäude des Vaters
krönte sem Sohn Friedrich T. 1701 durch die preussische Königs-
würde, welche auf das ausserhalb des deutschen Reiches belegene
Herzogthum Preussen gegründet war. Wiederum war es dessen
Sohn König Friedrich WilhelmI. /1714—40), welcher dem jun-
gen Staate eine einheitliche innere Verwaltungsorganisation, ein wohl