Französisch und Englisch. 43
4. Lektüre. Die Lektüre soll das vornehmste Gebiet des Unter-
richts bilden und wenigstens in der zweiten Hälfte der gesamten Unter-
richtszeit wertvollen Inhalt in edler Form darbieten. Bei der Aus-
wahl ist vornehmlich dasjenige Gebiet zu berücksichtigen, welches in die
Kultur= und Volkskunde einführt; bei Realanstalten darf auch die tech-
nisch--wissenschaftliche Lektüre nicht fehlen. Die in manchen Schulaus-
gaben gebotenen Lesestoffe bedürfen sorgfältiger Sichtung, auch ist
darauf zu achten, daß der einzelne Schülerjahrgang vor schädlicher
Einseitigkeit des Lesestoffes bewahrt bleibt. Wenn auch mancherlei
sprachliche übungen sowie grammatische und sonstige Belehrungen an
die Lektüre anzuschließen sind, so muß diese doch — namentlich in den
höheren Klassen — vor einer dienenden Rolle bewahrt werden. Auf
allen Stufen und mit steigenden Ansprüchen ist fließendes, lebendiges,
wohlbetontes Lesen französischer und englischer Texte ernstlich zu be-
treiben. Einprägung und sorgfältiges Vortragen zweckmäßig ge-
wählter Gedichte und Prosastücke wird sich hierbei als wertvoll er-
weisen. Die Versuche, an die Stelle der Übertragung in gutes
Deutsch zeitweise eine Besprechung des Textes in der fremden
Sprache selbst treten zu lassen, können nur soweit zugelassen werden,
als die Sicherheit des Lehrers und die Entwickelung der Schüler
auch bei diesem Verfahren die völlige Erschließung des Gedanken-
inhaltes gewährleisten.
5. Grammatik und sonstige Theorie. Die Grammatik soll
zwar der Lektüre untergeordnet werden, darf aber nicht derart in den
Hintergrund treten, daß auf eine systematische Ordnung und eine Ver-
teilung bestimmter Pensen auf die einzelnen Klassenstufen verzichtet
würde. Ein wenn auch möglichst vereinfachtes System muß schließlich
vor den Augen der Schüler stehen. Dies gilt am bestimmtesten für
Oberrealschulen und Realschulen, aber auch mit angemessenem Unter-
schied für die anderen Lehranstalten. Anknüpfung an die anderen von
den Schülern erlernten Sprachen ist nirgends zu versäumen. Die üb-
liche Folge von Formenlehre und Syntax wird naturgemäß beibehalten,
doch nicht so, daß es ausgeschlossen wäre, wichtige syntaktische Regeln
schon früh zu behandeln und minder gewöhnliche Erscheinungen aus
der Formenlehre zurückzustellen. Hauptziel muß sein: völlige Be-
herrschung alles Gewöhnlichen, während es bei nicht wenigen gesetz-
lichen Erscheinungen genügt, daß sie bei der Lektüre zum Verständnis
gebracht werden. Ob und inwieweit auf der Oberstufe eine Ver-
tiefung des grammatischen Unterrichts durch Ergründen der Erschei-
nungen nach logisch-psychologischer oder historischer Seite erfolgen kann,
müssen die bestimmten Verhältnisse der Schulen ergeben. Keinesfalls
kann eine derartige „Vertiefung“ die wirkliche Beherrschung ersetzen;
Wiederholung und Befestigung bleiben unter allen Umständen das