11: II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
oder aber um den mit der obersten Vertretungsbefugnis ausgestatteten
Präsidenten eines Freistaates handelt!). Und die weitverbreitete Mei-
nung ist unrichtig, welche die Exterritorialität eines solchen Präsidenten
einer fremden Republik auf den Fall beschränken will, daß er in Staats-
geschäften das Ausland betritt; jeder Versuch, diesen Satz praktisch
anzuwenden, würde sofort seine theoretische Unhaltbarkeit aufdecken.
Reist das Staatshaupt unter einem anderen Namen (incognito), so liegt
darin, solange das Inkognito gewahrt wird, ein Verzicht auf die Ex-
territorialität.
2. Die Exterritorialität genießen auch die Familienmitglie-
der sowie die übrigen Personen, die das Staatshaupt ins Ausland
begleiten?); sie wird dagegen der nicht in Staatsgeschäften reisenden
Frau des monarchischen Staatshauptes (etwa während eines Badeaufent-
halts) lediglich aus internationaler Höflichkeit zugestanden.
3. Der Regent, der für das verhinderte Staatshaupt die Regierungs-
geschäfte führt, genießt dieselben Rechte wie dieses.
4. Wenn das Haupt eines Staates in die Dienste eines frem-
den Staates tritt, so ist es in allen Rechtsbeziehungen, welche diese
Stellung mit sich bringt, der Staatsgewalt des dienstherrlichen Staates
unterworfen. Daß eine solche Zwitterstellung zu verschiedenen Unzuträg-
lichkeiten führen kann, ist zweifellos; aber ebenso sicher, daß sie wie-
derholt vorgekommen ist und noch immer vorkommen kann.
IH. Der Inhalt der Exterritorialität.
Da der Aufenthalt des Staatshauptes auf fremdem Staatsgebiet eine
Ausnahmo darstellt, während er für die diplomatischen Vertreter die
Regel bildet, hat sich geschichtlich die Lehre von der Exterritorialität
des Staatshauptes im Anschluß an die der diplomatischen Vertreter ent-
wickelt. Dort (unten $ 15 VI) ist daher auch wissenschaftlich der „Sitz
der Materie‘, so daß hier eine allgemeine Übersicht genügt.
Die Exterritorlalität umlaßt:
1. Die persönliche Unantastbarkeit:
Das Staatshaupt ist auf fremdem Staatsgebiet in Friedenszeiten
unverletzlich, sakrosankt; nur die äußerste Not würde die Anwendung.
von Gewalt rechtfertigen. So wenn das Staatshaupt die Festungen des
Empfangsstaates photographieren, das Auto in die Menge steuern
würde usw. Hier greifen die Begriffe Notwehr und Notstand (unten
825 IV) ein. Anders im Krieg (unten & 40 II).
1) Ebenso Walther ($ 13 Note 1) 195. Me&rignhac II294 (mit der heute
herrschenden französischen Meinung). Nys II 338. v. Frisch (unten $15 Note 1)
40. Dagegen Despagnet 270 (mit Einschränkungen). Rivier I 424. Ull-
mann 160. — Über die Exterritorialität fürstlicher Vasallen vgl. Kohler in
K. Z. VI201.
2) Bestritten; dagegen z.B. Martens-Bergbohm, 1321..