Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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im Lichten breit, 96“ hoch), während z. B. das verwandte Freiburger 
Münster viel schlankere Verhältnisse aufweist. Dadurch hat das 
Innere etwas Gedrücktes bekommen, romanische Proportionen bei 
der fortgeschrittensten Gethik im Ganzen. 
Was wird nun Erwin thun, indem er den Bau übernimmt? 
Soll er von dem inneren Widerspruche des Langschiffes noch irgend 
etwas in die Fagade hineintragen? Soll hier noch etwas Lastendes 
und Schweres zurückbleiben? Oder soll er die vielen Abstufungen 
des Styls, welche das Denkmal bereits umschließt, durch eine neue 
vermehren? 
Erwin wählte unbedenklich das letztere. Er wollte sich keinen 
Zwang anthun. Sein Genius sollte sich ungehemmt entfalten, aber 
doch nicht rücksichtslos, sondern mit gebührender Beachtung des Vor- 
handenen, das sein maßvoller Sinn zu schätzen und zu verwerthen 
wußte. 
Auch Erwin hatte seine Bildung in Frankreich empfangen. Er 
hat allem Anscheine nach um 1260 an der Bauhütte von Notre 
Dame zu Paris die neueste Richtung der Gothik beobachtet, welche 
Meister Jcan de Chelles begründete. Er hat an der Stiftskirche 
St. Urbain zu Troyes vermuthlich mit eigenen Augen gesehen, wie 
der geniale Jean Langlois die Steinconstruction an ihre letzte Grenze 
führte. Durch solche Anregungen war seine Leistung bedingt. Er 
legte die gewöhnliche französische Fatade zu Grunde, aber er hat sie 
mit den jüngsten Fortschritten bereichert, ganz selbständig durchge- 
bildet und so zu sagen durchgeistigt. 
Er theilte die Facade mit einer dem Gegebenen angemessenen 
Höhe und Breite in zwei Stockwerke, welche durch die hinlänglich 
kräftige Markirung der Horizontalabschnitte den Eindruck der Ruhe 
machen mußten. Die Verticaleintheilung mit drei Portalen entsprach 
den drei Schiffen im Innern. Das untere Stockwerk wird durch die 
Portale eingenommen. Das Radfenster über dem Hauptportal füllt 
das ganze Mittelstück des zweiten Stockwerks und fügt dem Innern 
noch den schönsten und lebendigsten Schmuck hinzu, indem das colos-
	        
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