setzung der Litteratur des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts war
der aristokratische Salon: die soziale Voraussetzung der Litte-
ratur des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts ist
die bürgerliche Kneipe. ·
Dürfen wir es wagen, an der Hand elsässischer Berichterstatter,
in eines dieser dumpfen, schwülen, überfüllten, glücklicherweise noch
nicht tabaksqualmenden Locale einzutreten und uns die „Abendzech“
zu betrachten?
Welches Gewühl und Gewirre, welches Meer von Stimmen,
die durcheinander tosen. Dort an dem großen Tisch sitzt das junge
Volk, da geht es am tellsten her und da haben die Kellner am
meisten zu laufen in aufgeschürzten Aermeln mit Henkelkrügen,
Bechern, Seideln, Kühlkesseln. „Holla, schenk ein, Wirthsknecht!“
„Hör, Weinschenk, bring mir den Rothen, bleich sehn die Todten!“
Die Gesellschaft wird immer lauter, unflätige Witze fliegen hin und
her. „Kann keiner ein Liedlein?" Und nun geht das Singen los:
Ist keiner hie, der spricht zu mir:
Guter Gesell, den bring ich dir,
Ein Gläslein Wein, drei oder vier?
Zechlieder, Buhllieder, Schelmenlieder. „Schürg Dich, Gretlein, schürz
Dich! Wol auf, mit mir davon!“ Ein junger Mensch schäkert mit der
ab und zugehenden Magd: „Die Brunnen die da fließen, die soll
man trinken, und der einen lieben Buhlen hat, der soll ihm winken,
ja winken mit den Augen und treten auf den Fuß; es ist ein harter
Orden, der seinen Buhlen meiden muß.“ „Ja wol“, seufzt ein blasser
Gesell, der in der Ecke sitzt, und summt sich ein Verslein, wobei er
an die ferne Liebste denkt: „Es steht ein Lind in jenem Thal, ist
oben breit und unten schmal.“ Der Chor aber brüllt: „Den liebsten
Buhlen, den ich han, der liegt beim Wirth im Keller.“
Aber verlassen wir den tobenden Tisch und setzen uns zu den
Alten, da geht es etwas ruhiger, doch nicht minder fröhlich her.
Man ist unersättlich im Erzählen und Anhören komischer Geschichten,
witziger und sinnreicher Aussprüche und Einfälle. Und je Derberes