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das tollste Zeug, warf mit lauter Stimme Witzworte in die Ver-
sammlung, sang weltliche und unschickliche Lieder, überschrie die
frommen Hymnen der Einziehenden und verspottete die Bauern.
Er machte die Andächtigen zerstreut, brachte die Betenden zum Lachen
und störte so Kirchenmusik wie Feier der Messe.
Dieser Unfug war, wie gesagt, schon zu einer stehenden Ein-
richtung geworden und er war nicht der einzige in seiner Art. Am
Kirchweihfeste des Münsters brachten Männer und Weiber die Nacht
in der Kirche zu mit Singen und Tanzen, mit Neckereien und-
schamlosen Scherzen; in einer Kapelle waren FLässer voll Wein auf.
gestellt, der Hochaltar diente zum Schenktisch, Bacchus triumphirte
über Christus, Venus über Maria, die Kneipe war in den Dom
eingedrungen. "-««
Gewisse Umzüge der Fischer am Pfingstfest, worin sie pfeifend,
tanzend und springend die Processionen des Landvolks unterbrachen
und durch feierliche Umhertragung eines Fisches parodirten, mußte
der Rath schon 1466 auf die Nachmittage einschränken, damit
wenigstens der Gottesdienst nicht darunter litt.
Aber wie sollte bei derartigen Zuständen noch viel Ehrfurcht
vor dem Heiligen übrig bleiben? In der That, es war nicht mehr
blos der geistliche Stand, sondern die Religien selbst, welche unter
den Angriffen des Volkshumors zu leiden hatte. Schon konnte man
hören, wie die übermüthigen, kecken Weltmenschen sich über Gott und
Himmelreich und Hölle hinaussetzten. „Was ist Gott?= — sprachen
sie — „Das sind drei Buchstaben. Was ist die Höll? Das sind
auch drei Buchstaben.“" —
Mitten in diese lustige, frivole, im Innersten aufgewühlte
Gesellschaft des Elsasses traten gegen Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts drei redliche, ernste Männer, um ihr als Sitten-
prediger, Satiriker und Publicisten den Spiegel vorzuhalten.
# Keine Landschaft Deutschlands hat um jene Zeit einen Prediger
wie Geiler von Kaisersberg, einen Satiriker wie Sebastian Brant,
einen publicistisch thätigen Gelehrten wie Jacol Wimpheling auf-