Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

146 
das tollste Zeug, warf mit lauter Stimme Witzworte in die Ver- 
sammlung, sang weltliche und unschickliche Lieder, überschrie die 
frommen Hymnen der Einziehenden und verspottete die Bauern. 
Er machte die Andächtigen zerstreut, brachte die Betenden zum Lachen 
und störte so Kirchenmusik wie Feier der Messe. 
Dieser Unfug war, wie gesagt, schon zu einer stehenden Ein- 
richtung geworden und er war nicht der einzige in seiner Art. Am 
Kirchweihfeste des Münsters brachten Männer und Weiber die Nacht 
in der Kirche zu mit Singen und Tanzen, mit Neckereien und- 
schamlosen Scherzen; in einer Kapelle waren FLässer voll Wein auf. 
gestellt, der Hochaltar diente zum Schenktisch, Bacchus triumphirte 
über Christus, Venus über Maria, die Kneipe war in den Dom 
eingedrungen. "-«« 
Gewisse Umzüge der Fischer am Pfingstfest, worin sie pfeifend, 
tanzend und springend die Processionen des Landvolks unterbrachen 
und durch feierliche Umhertragung eines Fisches parodirten, mußte 
der Rath schon 1466 auf die Nachmittage einschränken, damit 
wenigstens der Gottesdienst nicht darunter litt. 
Aber wie sollte bei derartigen Zuständen noch viel Ehrfurcht 
vor dem Heiligen übrig bleiben? In der That, es war nicht mehr 
blos der geistliche Stand, sondern die Religien selbst, welche unter 
den Angriffen des Volkshumors zu leiden hatte. Schon konnte man 
hören, wie die übermüthigen, kecken Weltmenschen sich über Gott und 
Himmelreich und Hölle hinaussetzten. „Was ist Gott?= — sprachen 
sie — „Das sind drei Buchstaben. Was ist die Höll? Das sind 
auch drei Buchstaben.“" — 
Mitten in diese lustige, frivole, im Innersten aufgewühlte 
Gesellschaft des Elsasses traten gegen Ende des fünfzehnten 
Jahrhunderts drei redliche, ernste Männer, um ihr als Sitten- 
prediger, Satiriker und Publicisten den Spiegel vorzuhalten. 
# Keine Landschaft Deutschlands hat um jene Zeit einen Prediger 
wie Geiler von Kaisersberg, einen Satiriker wie Sebastian Brant, 
einen publicistisch thätigen Gelehrten wie Jacol Wimpheling auf-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.