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des Stoffes richtet sich ungescheut nach den Tendenzen der Gegen-
wart. Und in den ältesten Zeiten ist ihm jede fabelhaftefte Träu-
merei zum Dreise der deutschen Nation willkommen. Aber auch hier
müssen wir dem Publicisten verzeihen, was der Gelehrte fündigt.
Die genannte Schrift war das erste Unternehmen ihrer Art und
bikret für Politik, Litteratur und Kunst wirklich eine Ruhmeshalle
unseres Volkes, die wir mit allen ihren Schwächen uns ebenso zu
achten und zu lieben gezwungen fühlen, wie das treue deutsche Herz
des ehrlichen Verfassers. Denn wir Deutschen haben wahrhaftig
alle Ursache die patriotischen Gefühle hochzuhalten und selbst die
patristische Phrase nicht gänzlich zu verachten: schon hat in ein-
fachen Gemüthern das schallende Wort sich als ein Apostel der
That erwiesen.
Indessen liegt Wimphelings eigentliche Bedeutung weder in
seinen politischen, noch in seinen historischen Leistungen, sondern auf
dem Gebiete der Pädagogik, wie das bereits die Zeitgenossen er-
kannten. Wir sehen, daß selbst das Steckenpferd eines warmherzigen
und vaterlandsliebenden Mannes dem Fortschritte einer ganzen Nation
zum Heil gereichen kann.
Auch Wimpheling ist kein rechter Humanist. Er liebt die
vielgepriesenen Studien nicht um ihrer selbst willen, er hat sich nicht
in staunender Verehrung vor der neuerstandenen Antike hingeworfen,
er ist nicht geblendet von ihrem Glanze Im Gegentheil, er wittert
wie sein Freund von der Münsterkanzel, sittliche Gefahr von den
alten Poeten, er will nur Virgil zulassen und von den Prosaisten
sich nur zu den römischen Hhilosophen bequemen. Er ist ein be-
geisterter Anhänger der römischen Kirche und ihrer Moral, er will
die heidnischen Götter nicht in den christlichen Dom hereinlassen,
und heidnische Lebensanschauung erfüllt ihn mit Grauen. Die heilige
Schrift vielmehr, die Kirchenväter, die christlichen Dichter sind die
litterarischen Mächte, deren gesunkenen Einfluß er wiebder beleben.
möchte. Deshalb verlangt er Verbesserung der Schulen. Und
nicht deshalb allein.