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schwenden. Ja, er hielt ein wenig auf guten Ruf und Popularität
in der Stadt und legte sich deshalb sogar manche Unbequemlich-
keiten auf. Es war also nur natürlich, daß er in den Tagen der
Kirchenbewegung die Bürger meist gewähren ließ und sich auf
papierne Proteste beschränkte, über welche in der That seine Macht
nicht weit hinausging.
Er residirte nicht in Straßburg, sondern in Zabern: und die
Stellvertreter, durch die er in der Hauptstadt seine Geschäfte besorgen
ließ, erwiesen sich als unzuverlässig oder ungenügend. Die Dom-
herren vermochten entweder nichts gegen den bestimmten Willen der
städtischen Behörden, oder sie standen auf Seite der Reformation,
so insbesondere die Herren des Hochstiftes vom Münster mit ihrem
Dechanten, dem freisinnigen Grafen Siegmund von Hohenlohe an
der Spitze, welcher in den ihm untergebenen Landgemeinden eut-
schieden evangelische Pfarrer duldete und die übrigen ausdrücklich
aufforderte, das reine Wort Gottes zu predigen. Das Reichs-
regiment konnte den Bischof nicht unterstützen, theils weil es über-
haupt keine zuverlässige und wirksame Executive besaß- theils weil
es in sich selbst gespalten war.
So war im Wesenilichen stets der Rath Herr der
Lage, welcher seinerseits sich darauf angewiesen fand, getreulich die
Volksstimmung zum Ausdruck zu bringen: wie das in seiner Or-
Fanisation begründet lag-
Die Stadtverfassung, deren frühere Entwickelungsstufen
wir S. 22, 55 und 60 kennen lernten, hatte durch den Schwörbrief
von 1482 ihre definitive Gestalt erhalten, welche bts auf die fran-
zösische Eroberung, ja mit wenigen Ausnahmen bis zur französischen
Revolution ungeändert blieb.
Die Altbürgerschaft war seit 1420 mit dem Adel verschmolzen,
so daß statt der früheren drei Stände nunmehr blos zwei, Adel
und Zünfte, erscheinen. Die Zahl der Zünfte war auf 20 herab-
gesetzt. Und jene große Körperschaft, die uns bei Abschaffung der
Messe begegnete und die man nur in ganz besonderen ZFällen berief