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und Jacob Kautz bewegten sich ganz in den Anschauungen der deut-
schen Mystik, nur daß sie ungescheut alle ketzerischen Folgerungen
daraus zogen und neben der Bibel noch das innere Wort der un-
mittelbaren Offenbarung als eine Quelle der Erkenntnis hinstellten.
Ein stürmischer ungebundener Geist wie Ludwig Hätzer ging zur
kühnsten Bekämpfung der Gottheit Christi über.
Diese und manche andere kamen gelegentlich in Straßburg
zum Vorschein. Am 22. December 1526 disputirten die Prediger
mit Denk, der sich mit wunderbarer Geschicklichkeit benahm. „So
viel ist gewiß — schrieb Capito — daß er unsere Kirche arg be-
unruhigt hat. Sein tugendsames Leben und sein frommes Aeußere,
das Gewürfelte seines Geistes, seine Haltung und sein Anstand im-
Vortrage machen einen tiefen Eindruck auf den gemeinen Mann.“
In den dreißiger Jahren tauchte eine neue Generation von
protestantischen Sectirern in Straßburg auf: der schlesische Edel-
mann Schwenkfeld, der Tiroler Pilgram Marbeck, der phantastische
Kürschner Melchior Hoffmann, der Geschichtschreiber und mystische
Philosoph Sebastian Frank, der Spanier Miguel Serveto, den
Calvin nachmals verbrennen ließ — kurz, es gab fast keinen be-
rüchtigten Ketzer der Zeit, der nicht in Straßburg einmal sein Glück
versuchte. 1
Auch mit einigen dieser Männer wurde auf der ersten Pro-
vinzialsynode (1533) disputirt, ohne daß man damit viel erreichte.
Sie fanden zum Theil großen Anhang und machten Butzer manche
trübe Stunde, worin ihm die Grundfesten seiner Kirche zu wanken
schienen.
Während daher Butzer sich mit Ideen der Einführung des
Kirchenbannes trug und für seine Person vielleicht die Strenge
Calvins oder Zwinglis angewendet haben würde: stand Capito
zwar nicht mit den Häuptern, aber mit einzelnen Mitgliedern der
täuferischen Secte in gutem Vernehmen, er wollte einige ihrer Lehren
nicht unbedingt verdammen, in anderen suchte er sie ruhig des Irr-
thums zu überführen, jedenfalls berührte der mystische Zug man-