Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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duldsamkeit und Zelotismus erst von außen herein in die elsässische 
Hauptstadt getragen werden mußten; ein finnenfrohes Volk kommt 
nicht von selbst darauf sich für die Subtilitäten eines Glaubens- 
artikels zu zerfleischen. 
Darum ist es auch das Elsaß, worin man im Jahrhundert 
der Reformation unter allen Landschaften Deutschlands noch am 
meisten neben der Religion auch für andere Dinge Sinn behielt. 
Die öde Controversschriftstellerei absorbirt hier nicht Alles. Das 
religiöse Interesse wirkt nicht wie jene Scheiterhaufen der italienischen 
Bußprediger, in denen aller Schmuck und Zierat in Flammen auf- 
geht. Die ästhetischen Elemente des Lebens stehen noch in Kraft, 
sie bringen Freude und vercdeln. Denn das Elsaß war kein Phäaken- 
land, Straßburg war kein Capug der Geister, nie fehlt es ihm 
an hochsinnigen Männern, die zu idealer Erhebung anleiten. Wenn 
man unter Cultur die allseitige gleichmäßige Ausbildung menschlicher 
Kräfte versteht, so hat im Deutschland des sechszehnten Jahrhunderts 
das Elsaß die höchste Cultur. So lange der Kampf gegen Rom im 
Vordergrunde der nationalen Arbeit steht, tritt es hinter Sachsen zurück. 
Aber vorher und nachher hat das Elsaß die Führerschaft auf dem 
Gebiete der Litteratur. Vorher durch Kaisersberg, Brant, Wimphe= 
ling, Murner; nachher durch Wickram, Fischart und Johannes Sturm. 
Die zwanziger Jahre producirten auch im Elsaß wesentlich 
nichts anderes als theologische Abhandlungen, Flugschriften und 
Kirchenlieder. Die Drucker und Buchhändler waren äußerst thätig 
die Reformation zu unterstützen, wie wir sahen. 
In den dreißiger Jahren beginnt die ausgebreitete Uebersetzer- 
thätigkeit, und während das Straßburgische Schulwesen seinen großen 
Aufschwung nimmt, regt sich auch die deutsche Dichtung wieder außerhalb 
der Kirche, und zwar zunächst im Drama, meistens geistlichen Inhalts. 
Dazu kommt im Anfang der fünfziger Jahre eine sehr reiche 
Erzählungslitteratur, Schwänke, Novellen, Romane, repräsentirt 
hauptsächlich durch Jörg Wickram, Jaceb Frey und Martin Mon- 
tanus, alle drei zugleich Dramatiker.
	        
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