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sächsischen Orthodexie weichend, in Berlin. Sachsen und Brandenburg-
Preußen sind zunächst, d. h. in der Zeit vor Goethe, die gelobten
Länder unserer geistigen Cultur. Aber so daß das wachsende Preußen
mehr und mehr alle fortschrittlichen Elemente anzieht, welche das
sinkende Sachsen von sich stößt. Pietismus und Rationalismus, ja
französischer Materialismus erhalten in Preußen ihre Stätte. Der
Enpicuräismus unbefangenen Lebensgenusses und der Stoicismus
strenger Pflichterfüllung finden sich mit nationalem Pathos und fester
Staatsgesinnung in der Person des großen Monarchen wie in seinem
Volk zusammen und erzeugen eine poetische Litteratur, an welcher
nur die städtischen Republiken der Schweiz und Hamburg, und auch
diese nur sehr gelegentlich und eingeschränkt, Theil haben. Unter-
dessen gedeiht in Sachsen höchstens ein Abklatsch französischer leichter
Poesie, französischer Geselligkeit, französischer Liederlichkeit: und der
Rhein sowie Süddeutschland stehen ganz zurück, bis sich der Schwabe
Wieland ebenfalls der französischen Strömung anschließt.
So hat auch im Elsaß die Poesie keine nennenswerthen
Leistungen hervorgebracht, und in dem wenigen herrscht französischer
Einfluß. Der Jurist Johann Georg Schmied von Straßburg (gest.
1733) ist mit seiner travestirten Aeneide ein Nachfolger Scarrons
und Vorläufer Blumauers. Heinrich von Nicolay aus Straßburg,
erst Professor an der Universität seiner Vaterstadt, dann russischer
Staatsrath (geb. 1737, gest. 1820), ist ein Nachahmer Gellerts in
der Fabel und schwankartigen Erzählung, ein Nachahmer Wielands
im ritterlichen Epos. Und Konrad Pfeffel aus Colmar (1736
bis 1809), der bekannteste und vielseitigste dieser Dichter, gehört in
dieselbe Richtung.
Hfeffels poetische Thätigkeit beginnt 1754 und dauert bis an
sein Lebensende fort. Wir besitzen von ihm nicht weniger als 25
Dramen, 8 Bände „poetische Versuche“ und 10 Bände Romane und
Novellen. Seine Tragödien und Komödien beruhen durchweg auf
französischen Mustern, seine kleineren Gedichte theilweise: es sind
Fabeln, Erzählungen, Episteln, Lieder; die ersteren überwiegen;