Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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Charakter trugen. Die vorberrschende Beschwerde, die stärkste Be- 
fürchtung richtete sich gegen jede Beeinträchtigung der provinzialen 
Sonderstellung, der Privilegien des Landes, der Verträge, welche die 
Freiheit garantirten. Es zeigt sich noch immer die Vorstellung des 
alten Reichsrechts wirksam, wonach die Rechte und Freiheiten der 
Individuen durch die Privilegien gemehrt und durch ihre Entziehung 
verringert zu werden pflegen. Aber die Beschwerdehefte gehen noch 
um einen Schritt weiter. Man will nicht blos die historisch be- 
gründete Selbständigkeit aufrecht erhalten wissen, es wird ausdrücklich 
verlangt, daß das Land durch Erweiterung provinzialer Institutionen 
in den völligen Besitz der Vorrechte einer wirklich fremden 
Provinz gesetzt werde. 
Faßt man diesen Gedanken als den obersten leitenden Grundsatz 
der Stimmung des Elsasses recht ins Auge, so wird man sagen 
können, daß im übrigen die Wünsche des Landes in Bezug auf 
liberale Einrichtungen keineswegs hinter dem zurückstanden, was ven 
anderen Provinzen oder Städten, selbst von Paris begehrt worden 
ist. Die Wünsche des Elsasses sind nur in Bezug auf die Reichs- 
stände so außerordentlich bescheiden, nicht weil ein Mangel des Ver- 
ständnisses für ständische Rechte überhaupt vorhanden gewesen wäre, 
sondern weil die Reichsstände vom ersten Augenblicke an etwas 
unfaßbares, unbekanntes, unklares waren, womit der Elsässer in 
seiner gesammten freiheitlichen Geschichte keine Fühlung finden konnte. 
Aber in Bezug auf innere Staatseinrichtungen fehlt es nicht an 
praktischen Wünschen: Frei gewählte Munizipalverwaltungen, Ver- 
minderung der Abgaben an die Grundherrschaften, Abschaffung der 
Käuflichkeit der Gerichtsstellen, Einführung einer Abschätzung ven 
allem in dem Lande liegenden Grundeigenthum ohne Unterschied der 
Stände. Wie man sieht, verrathen die Beschwerdehefte keinen un- 
politischen Sinn und sind nicht ohne liberale Intentionen einer 
selbständig denkenden Bevölkerung, aber sie stimmen allerdings nicht 
mit der großen Strömung überein, welche sich in diesem Augenblicke 
in Frankreich überall kunk gibt. Wäre nicht schon in, dem Worte,
	        
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