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Gut und Blut zu geben. Er schwur, und die Bürger schwuren, und
dach wußte man kaum in Straßburg, ob nicht in Paris schon als
überwunden gelte, was man eben im Elsaß nech gelobte und bejubelte.
So gewaltige Keime eines großen der. Menschheit schließlich
zum Segen dienenden Fortschritts hier auch gelegt wurden, so wenig
konnte dech der eigenthümliche Gegensatz, der zwischen der deutschen
Vergangenheit und der französischen Zukunft des Elsasses sich immer
mehr offenbarte, das Bild ciner harmonischen Entwickelung gewähren.
Alle Mittel wurden in Bewegung gesetzt, um durch Volksverbrüde-
rungen und cosmopolitische Schwärmereien den Uebergang zu er-
leichtern. Die Poesie mußte ganz in den Dienst der Freiheit treten.
Als man den großen rheinischen Völkerbund in Straßburg gründete
und phantastisch um den Bundesaltar tanzte, und voll von Fran-
zosenthum war, mußte fast auffallend erscheinen, daß man sich aus-
schließlich der deutschen Sprache bediente, um seine Gefühle auszu-
tauschen. Man war damals im Elsaß noch zu verschämt, um sich
offen als Franzosen zu bezeichnen und es kam der unbestimmtere
Ausdruck „der freien fränkischen Nation“ auf. Bei dem theinischen
Bundesfest wurden Eichen in Straßburg gepflanzt, von welchen ein
Dichter rühmte, daß sie den „Franken“ geheiligt seien:
Franken, die nach Größe streben,
Die vor keinem Feinde beben,
Welcher ihrer Freihcit dreht.
Franken, die mit jedem Jahre
Hier an diesem Hochaltare
Schwören: Freiheit oder Ted.
Weniger schwerfällig hatte man sich in den vornehmen Kreisen
des Elsasses in die französische Denkungs= und Lebensweise hinein-
gestürzt. Der Theil des Adels, der Patricier, der Offiziere des alten
deutschen Reichsgebiets, welcher nicht vorgezogen hatte, aus aristokra-
tischen freilich mehr, als nationalen Rücksichten, auszuwandern, alle
jene, welche Franzosen aus freier Wahl werden wollten, suchten eine
gewisse Gemüteberuhigung darin, möglichst rasch den alten deutschen
Rock auszuziehen. In dem Salon der Gemalin des Maires Dietrich