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zusetzen, indem er den Geist des altlutherischen Kirchenliedes erneuert,
den populären Ton anstrebt und in der That mit seinen Dichtungen
ins Volk dringt.
Glänzendere Erfolge hatten die Elsässer in der bildenden
Kunst aufzuweisen. Hier brauchten „diese guten Provinzbewohner“
keine Muttersprache zu verleugnen, um sich durch mühsame Vor-
studien den Weg zu Pariser Triumphen zu bahnen. Die plastische
und malerische Phantasie ist an nationale Schranken nicht so streng
gebunden wie die poetische. Die Zahl der elsässischen Künstler er-
scheint sehr groß und besonders in den letzten Jahren gewaltig an-
gewachsen: 1853 zählte man acht, 1857 zwanzig, 1865 fünfund-
vierzig elsässische Aussteller in Paris, seitdem regelmäßig zwischen
dreißig und vierzig, die meisten Maler, nur etwa ein Zehntel Bild-
hauer und Architekten.
Der Kunstsinn der Provinz hat dabei kein Verdienst, denn er
ist — das einzige Mühlhausen abgerechnet — gleich Null. Der
Straßburger Kunstverein zählt wenig Mitglieder. Die moderne
Privatarchitektur des Elsasses erregt das Entsetzen kunstgebildeter
Beschauer. Die Plastik erhält keine öffentlichen Aufträge: wenn
der ältere Landolin Ohnmacht (1760—1830) noch vielfach in Straß-
burg offiziell beschäftigt wurde, so haben die Neueren, die Bartholdi,
Friederich, Graß (drei Künstler sehr ungleich an Geist und Begabung),
nur aus ihrem eigenen Patriotismus die Aufforderung geschöpft
und nur darin ihren Lohn gefunden für die Statuen der Martin
Schön, Pfeffel, Jacob Sturm u. A., welche sie den betreffenden
Städten zum Geschenk machten. Die elsässischen Maler haben nur
selten in ihrer engeren Heimath Beschäftigung, nur selten elsässische
Käufer gefunden.
Natürlich strömte Alles nach Paris und zersplitterte sich dort
unter die verschiedenen modischen Richtungen. Eine elfässische
Malerschule mit gemeinsamen Charakter gibt es nicht. Die akade-
misch correct behandelten antiken Stoffe eines Ehrmann und Ulmann
neben den bewegteren farbenglänzenden Darstellungen Leopold Levys