Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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man in der alten Grenzstadt die buntesten Nationen und Uniformen 
in endloser Zahl ein- und ausmarschieren, gedrückte herabgekommene 
Gestalten, denen oft das Hemd am Leibe mangelte. An der Straß- 
burger Schiffbrücke vertheilte ein Officier zum Angedenken an die 
große Nation jedem Gefangenen ein blankes Goldstück, drüben 
über dem Rhein harrten mildthätige, süddentsche Hilfsvereine mit 
Liebesgaben, um die armen, heimkehrenden und tief gebeugten Oester- 
reicher für das nothdürftigste zu unterstützen. Was sprach man da 
alles in Straßburg von der deutschen Misere, und wie klein und 
unglücklich dachte man sich die Nation da drüben über dem Rhein, 
zu der man doch einstens verwandtschaftliche Beziehungen gefühlt hatte. 
Was hinderte den Neffen, so meinte man damals in Frankreich, 
mit Deutschland nun zu verfahren, wie der Oheim gethan, da die 
deutsche Hauptmacht geschlagen wäre? Daß man mit Deutschland 
in Wahrheit noch nicht entfernt die Kräfte gemessen, das wußte und 
ahnte man nicht, und in dieser Täuschung wurde der französische 
Uebermut groß gezogen, welcher dem jähen Falle vorherging. 
Erst als die beispiellose Beleidigung des greisen Königs in 
allen deutschen Herzen vom „Fels zum Meer“ nur Ein Gefühl 
nationaler Vertheidigung erweckte, als die unverschämte Herausfor- 
derung des Ministers der „parlamentarischen Aera“ in der franzö- 
sischen Kammer über Nacht ein einiges Volk in Waffen sich gegen- 
über sah, da blitzte zum erstenmale seit fünfzig Jahren der Gedanke 
durch die französischen Gemüter, daß drüben über dem Rheine eine 
Männerstarke Nation zu finden sein möchte, welcher man Metz und 
Lothringen, Elsaß und Straßburg rauben konnte, weil sie gespalten 
und uneins, die aber furchtbar sein müßte, wenn sie brüderlich um 
ein großes Haupt sich sammelte. " 
Odb man sich im Elsaß in diesen Tagen an das erinnerte, was 
in Deutschland vor fünfzig Jahren als ein geistiges Vermächtnis 
der späteren Generation hinterlassen wurde, ob man wußte, daß wir 
noch immer von dem „verlornen Gut an den Vogesen“ sprachen, 
wo es „deutsches Blut vom Höllenjoch zu lösen“ galt? — In Straß-
	        
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