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Gesetzgekungskemmissien von zwölf Mitgliedern trat zusammen und
bearbeitete das neuc Recht, nach welchem künftig Gericht und Ver-
waltung der Stadt gehandhabt werden sollten. Allein der Grund
der Unzufriedenheit lag nicht, wie man meinte, in den rechtlichen
Bestimmungen, vielmehr mußte Straßburg die Erfahrung machen,
daß die Heilung pelitischer Gebrechen weit weniger von der Güte
der Gesetze, als von dem Vertrauen zu den regierenden Behörden
alhängig sei. Denn ein so beverrechteter Stand wie der, welcher
in den mittelalterlichen Städten überall herrschte, konnte nur seine
Macht behaupten, wenn er durchaus einig war und die conservativen
Prinzipien in Eintracht und Ruhe vertrat. Wenn aber in großen
Staaten alter und neuer Geschichte der politische Fortschritt, den die
unteren Stände anstreben, über die Bresche führt, welche der Streit
der regierenden Familien unter einander in den Wall der eigenen
Vorrechte legt, so war dies in den Stadtgemeinden des Mittel-
alters ganz ebenso. Es ist überall derfelbe prinzipielle Gegensatz,
wie ihn das Staatswesen Englands in den Teries und Whigs auf-
kommen sah, welcher die demokratischen Bahnen eröffnet. In Straß-
burg seben wir zwei Rittergeschlechter diesen Gegensatz vertreten:
die Mülnheim und die Zorn. Lange Jahre hindurch ist die
Parteidisciplin derselben ganz strenge. Sie haben ihre politischen
Clubs, die man aber damals gut deutsch die Trinkstuben der Müln-
heim'schen und Zorn'schen Partei nannte. Dort wurden die Ange-
legenheiten, welche im Rath verhandelt wurden, mit einem Eifer
besprochen, der nicht selten der Freiheit der Berathung im Rathe
Lefährlich wurde. Doch nicht in diesem Kampfe der Geschlechter,
nicht in diesem erblichen Gegensatz des regierenden Stadtadels liegt
ein besonderer deutscher Charakterzug; das Eigenthümliche, das die
Entwickelung der deutschen Städte zeigt, liegt vielmehr in den Ls-
sungen, welche der aristokratische Streit erfährt. Die gleichsam
fundamentale Geschichte der Montechi und Capuletti geht durch alle
städtischen Gemeinwesen romanischer und germanischer Cultur; aber
eigenthümlich ist fast jeder Natien die Art, in welcher diese Gegen-
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