168 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916
führung von ausschlaggebender Bedeutung. Durch das Freihalten der Ost—
see hat die Marine einem Teil ihrer Aufgaben entsprochen, zugleich dem
Oberbefehlshaber Ost auch ermöglicht, einen Verkehr zwischen den deutschen
Ostseehäfen und Libau einzurichten, was für die Versorgung unserer
Truppen in Kurland von größter Wichtigkeit war. Die westliche Ostsee
blieb übungsplatz für unsere Marine.
Die Masse unserer Flotte stand in der Nordsee, gestützt auf die Elb-
mündung, Helgoland und Wilhelmshaven. Wir hätten mit ihr zu Beginn des
Krieges in ausgesprochener Weise die Schlacht suchen müssen, wie dies auch
der Großadmiral v. Tirpitz wollte, ohne allerdings mit diesem Streben
durchzudringen. Nur so konnten wir die feindlichen Maßnahmen zer-
schlagen, über die wir uns kein klares Bild zu machen vermochten. Seit
den englischen Flottenübungen 1910 und 1911 waren Anzeichen vorhanden,
daß England an eine weite Blockade dachte. Sie stand nicht mit dem
Völkerrecht in Einklang und konnte nur durchgeführt werden, wenn die
Neutralen, besonders die Vereinigten Staaten, ihr willig zusahen.
England vermied die Schlacht. Auch die Briten hätten sie wagen
müssen. Tradition, Stärke und Kriegslage forderten dies mit zwingender
Gewalt. Hätte England die Schlacht gewonnen, so konnte es unsere Erz-
zufuhr aus Schweden entscheidend unterbinden, wir wären auch nie zu dem
U-Bootkrieg in einem Umfang gekommen, der ihm gefährlich wurde.
Großbritannien erhielt aber seine Flotte aus politischen Rücksichten. Es sah
in einem Kampf mit der deutschen Flotte ein Risiko, das ihm seine Stellung
in der Welt, unter den Verbündeten und im eigenen Reiche kosten
konnte. Alle anderen Gründe, wie der Mangel an Docks an der Ostküste,
um nach einer Schlacht schnell genug die Schäden wiederherzustellen, wir-
ken nicht überzeugend. Daß England die Schlacht unterließ, ist kein
Ruhmesblatt seiner doch sonst so stolzen Marine.
Das Seegefecht in der Deutschen Bucht am 28. August 1914, außer-
halb Helgolands, hatte keine strategische Bedeutung. Der Wagemut riß
unsere Kreuzer hin. Unsere Flotte blieb unternehmungslustiger als die
feindliche. Wir beschossen mehrmals die seit Jahrhunderten unberührte
englische Küste. Am 24. Januar 1915 hatte ein solcher Vorstoß zum
Kampf bei der Doggerbank geführt.
Das Streben unserer Marine, die englische Flotte möglichst an unserer
Küste zur Schlacht zu stellen, gewann klarere Gestalt, als Admiral Scheer
die Hochseeflotte befehligte. Am 31. Mai 1916 gelang es ihm, die Schlacht
herbeizuführen. Er scheute sie nicht, obschon er sich weitab von unseren
Marinestützpunkten befand.
Bei der Zurückhaltung der feindlichen Flotte wurde eine Bedrohung
unserer Marinefestungen unwahrscheinlich. Ihre Kriegsbesatzungen konnten