Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

250 Die Lage um die Jahreswende 1916417 
  
  
  
Eure Exzellenz als Reichskanzler zwar die ausschließliche Verantwortung 
beanspruchen, daß ich aber selbstverständlich auch weiter mit aller Kraft und 
in vollem Verantwortungsgefühl für den siegreichen Ausgang des Krieges 
dafür eintreten werde, daß militärisch das geschieht, was ich dazu für 
richtig halte.“ Das war Recht und Pflicht der Obersten Heeresleitung, ebenso 
wie es Pflicht und Recht des Reichskanzlers war, in dieser ernsten und 
schwerwiegenden Frage seine Ansicht mit dem vollen Ansehen seines hohen 
Amtes zur Geltung zu bringen. Gingen die Ansichten auseinander, so lag 
die Entscheidung bei Seiner Majestät. 
In der Voraussicht, daß die Antwort der Entente auf unser Friedens- 
angebot und den Vermittlungsschritt Wilsons ablehnend ausfallen würde, 
kam der Reichskanzler bereits Ende Dezember zu Beratungen nach Pleß. 
Etwas Endgültiges wurde noch nicht vereinbart. Die entscheidende Be- 
sprechung fand nach Eingang der Antwort der Entente auf unser Angebot 
und in sicherer Erwartung der gleichen Haltung der Entente gegenüber dem 
Schritt des Präsidenten Wilson am 9. Januar, unter dem Vorsitz Seiner 
Majestät statt. Der Chef des Admiralstabes vertrat die Ansichten, wie ich 
sie vorstehend niedergelegt habe; er hielt die Wirkungen des un— 
eingeschränkten U-Bootkrieges in einigen Monaten für kriegsentschei- 
dend und sprach sich für ihn aus. Der Generalfeldmarschall gab unsere 
Auffassung der Lage wieder und trat ebenfalls für ihn ein. Der Reichs- 
kanzler erörterte die Wirkung, die dieses Kriegsmittel auf die Neutralen, 
insbesondere auf die Vereinigten Staaten Nordamerikas, ausüben könnte. 
Er hielt nur den Eintritt Amerikas in den Krieg für möglich und wahr- 
scheinlich und befürchtete Schwierigkeiten für die Versorgung Belgiens durch 
die Entente. Unser Friedensangebot sah er als gescheitert an. Neue 
Friedensmöglichkeiten, etwa einen neuen Versuch Wilsons — der vom 
18. Dezember galt bereits für erledigt — oder einen Separatfrieden stellte 
er nicht in Aussicht, ebensowenig eine mögliche Änderung unserer politischen 
Lage durch den Zusammenbruch eines unserer Feinde, wie wir ihn später 
an Rußland erlebten. Dies hätte uns vor eine neue Lage gestellt und 
unsere Anschauungen naturgemäß stark beeinflußt. Der Reichskanzler be- 
urteilte unsere militär-politische Lage genau so wie wir. Während wir die 
notwendige schwere Folgerung in ruhiger Entschlossenheit ziehen zu müssen 
glaubten, war der Reichskanzler seiner ganzen Natur nach bedenklich, er 
schloß etwa: „Der Entschluß zum Eintritt in den rücksichtslosen U-Boot- 
krieg ist also abhängig von der Wirkung, die wir erwarten können,“ und 
„wenn aber die militärischen Stellen den U-Bootkrieg für notwendig halten, 
so bin ich nicht in der Lage zu widersprechen“ und „wenn der Erfolg winkt, 
so müssen wir handeln.“ 
Auch der Reichskanzler sprach sich damit im vollen Gefühl seiner
	        
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