254 Die Lage um die Jahreswende 1916/17
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lungnahme zu der zwingenden Notwendigkeit des U-Bootkrieges zu ändern.
Nach einem Vortrage des Chefs des Admiralstabes in Wien faßte
auch die österreichisch-ungarische Regierung den Entschluß, mit ihren
U-Booten den uneingeschränkten Krieg zu führen. Ich habe diesen bundes-
freundlichen Schritt dankbar begrüßt, ihn allerdings auch mit Be-
stimmtheit erwartet. Der U-Bootkrieg konnte nur wirksam werden, wenn
er auch im Mittelmeer einsetzte, wo der Erfolg ein besonders günstiger
zu werden versprach; es kam darauf an, soviel Schiffsraum wie möglich
zu versenken. Auch General v. Conrad hatte die Teilnahme Österreichs
befürwortet. Wenn Graf Czernin später, 1918, sagte, er habe den unein-
geschränkten U-Bootkrieg mitgemacht, um einen Konflikt mit Deutschland
zu vermeiden, so hat er hiermit eine mir damals nicht bekannte Tatsache
mitgeteilt. An einen militärischen Druck auf Österreich-Ungarn hat nie-
mand gedacht.
Es war mir für die Beurteilung des Denkens in der Heimat von
höchster Bedeutung, aus der Reichstagssitzung vom 27. Februar zu ersehen,
daß das deutsche Volk nach dem Scheitern unserer Friedensangebote sich
fast einheitlich hinter die Regierung stellte. Der Führer der Mehrheits-
sozialisten, Herr Scheidemann, führte im Zusammenhang aus, auch wenn
er die Verantwortung für den U-Bootkrieg ablehnte:
„Alle Welt wird die tiefe Genugtuung begreifen, die wir emp-
fanden, als die Regierung mit Argumenten, die den unseren nahe
kamen, der Welt den Frieden anbot. Als die Gegner in ihrer be-
rüchtigten Antwort an Wilson ihre Eroberungs= und Vernichtungsabsich-
ten rücksichtslos enthüllten, da hat sich der entschiedene Wille zur Ver-
teidigung unseres Landes wiederum fest entschlossen aufgerichtet. Da gab
es nur eine Stimme im Volke: Lieber alles andere als einen solchen Frie-
den! Jedermann hatte wohl erwartet, daß die Gegner nicht ohne Zieren
und Sträuben, nicht ohne Betonung ihrer eigenen Stärke, nicht ohne Tast-
versuche und Vorverhandlungen die deutsche Einladung zur Konferenz an-
nehmen würden; aber eine so brutale und herausfordernde Sprache, wie
sie sie führten, ein so wahnsinniges, allen Tatsachen Hohn sprechendes
Friedensprogramm, wie sie es aufstellten, das hatten wohl nur ganz
wenige erwartet, und diese neue Blutschuld an der Menschheit, die sie auf
sich geladen haben durch die brutale Ablehnung des Friedensangebots von
Deutschland, werden sie nimmermehr abwälzen können. Lloyd George
ist der Pate der neuen Entschlüsse der Reichsleitung zum U-Bootkrieg.
Der verschärfte U-Bootkrieg ist eigentlich von der Konferenz der Alliierten
in Rom beschlossen worden. Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, nach-
dem die Sache in Gang gekommen war, können auch wir nur von ganzem
Herzen wünschen, daß sie uns bald den Frieden bringe. Wir vertrauen