Aufstellung der polnischen Armeen 317
Der Aufruf selbst war unklar; ich sprach mich in dem Sinne aus.
Die Erklärung des Königreichs am 5. November sowie alle Maß-
nahmen zur Bildung eines polnischen Heeres waren Schläge ins Wasser.
Es wurde uns sehr bald klar, daß General v. Conrad die Verhältnisse richtig
beurteilt hatte. Auf die Verstärkung unserer Kriegführung durch polnische
Truppen mußte ich endgültig verzichten. Auch General v. Beseler erkannte
jetzt, daß er sich geirrt habe. Die Frage der Aufstellung einer polnischen
Armee war damit endgültig gescheitert. Der hin und wieder auftauchende
Gedanke an Bildung einer nationalpolnischen Truppe, den von Zeit zu
Zeit General v. Beseler und die österreichisch-ungarische Regierung vertraten,
wurde von nun an von der Obersten Heeresleitung ablehnend behandelt.
Für sie lag in der Wehrhaftmachung Polens bei dessen unklarer Haltung
jetzt eine Gefahr, der zu steuern ebenso ihre Pflicht war wie vorher der
Versuch, einen Kräftezuwachs zu erhalten.
Unendlich viel Zeit und Kraft ging mit diesen fruchtlosen Verhand-
lungen verloren, bei denen nur das eine von Interesse war, mit welcher
Beharrlichkeit die österreichisch-ungarischen Staatsmänner in Polen ihre
Ziele gegen uns verfolgten.
Die Aufstellung einer polnischen Armee fiel aus politischen Gründen.
Polen schien sein Ziel lieber durch die Entente gegen Deutschland und
Österreich-Ungarn erreichen zu wollen. Menschen hatte Polen genug, auch
wenn es an Deutschland und Österreich-Ungarn Arbeiter abgab. Die
Menschenfrage hat in diesem Sinne bei der Bildung der Armee überhaupt
keine Rolle gespielt. Es war klar, daß wir auch weiterhin Arbeitskräfte
in Polen in dem größtmöglichen Umfange zu gewinnen suchten und das
Land für die Kriegführung ausnutzten.
Wenn jetzt die Verhältnisse in Polen und unseren Ostgebieten mit
jenem Versuch, ein Königreich Polen zu errichten, in Zusammenhang ge-
bracht werden, so geht das weit über das Ziel hinaus. Auch ohne die Pro-
klamierung des Königreichs und den Versuch, eine polnische Armee zu
bilden, wären diese Erscheinungen gekommen, sie liegen allein in histori-
schen Ursachen, in dem starken polnischen Nationalbewußtsein und in dem
früheren Gegensatz zwischen Deutschen und Polen begründet.
Bei den Erörterungen über die Errichtung des Königreichs Polen
und die Bildung einer polnischen Armee besprachen wir auch die Möglichkeit
eines Sonderfriedens mit Rußland. Es wurden die Schwierigkeiten
hervorgehoben, die für ihn naturgemäß aus den polnischen Absichten der
Mittelmächte entstehen würden. Ein Sonderfrieden mit Rußland hat stets
in den Gedankengängen des deutschen Volkes eine besondere Rolle gespielt;
ich erhielt schon im Herbst 1914 „verbürgte“ Nachricht von der Anwesenheit
des Grafen Witte in Berlin. Natürlich war das ein Hirngespinst. Eng-