Die österreichisch-ungarische und die bulgarische Armee 433
allen seinen Worten klang die Hoffnung auf einen Sieg an der deutschen
Westfront.
Bulgarien hatte alles das besetzt, was es im Frieden behalten wollte;
es war seines Gewinnes sicher — dachte nicht mehr an den Krieg, sondern
nur daran, sich dieses Gewinnes im Frieden zu erfreuen. Volk und Armee
waren kriegsmüde. Die Regierung Radoslawow verlor an Boden. Im
Lande begann ein Wühlen gegen die Regierung und den Krieg, zunächst
mit dem Zweck, andere Parteien an die Staatskrippe zu bringen. Damit
wuchs die Gefahr, daß der Einfluß der Entente in Bulgarien an Bedeutung
gewann. Diese Gefahr war um so größer, als auch die bisherige Regie-
rung eine Hetze gegen uns zuließ. Die Mißstimmung im Lande nahm gegen
uns auch deshalb zu, weil wir aus Valuta-Rücksichten nicht genügend Tabak
abnahmen. Viele Bulgaren fühlten sich hierdurch geschädigt. Der Vertreter
der Vereinigten Staaten, der noch immer in Sofia saß, nutzte dies ungemein
geschickt aus und stellte ihnen nun seinerseits hohe Gewinne in guten
Schweizer Franks in Aussicht. Viele Bulgaren widerstanden dieser Ver-
suchung nicht. Sie wandten sich der Entente wieder zu, der ihr Herz immer
gehört hatte.
Ich konnte über Bulgarien nur die Ansicht gewinnen, daß dieses
uns treu bleiben würde, so lange bei uns alles gut stünde. Ver-
ringerten sich aber die Aussichten auf einen Sieg, oder hatten wir sogar
Mißerfolg, nun, dann mußte alles so kommen, wie es geschehen ist. Warum
sollte es im Leben der Völker anders sein als im Leben der Menschen? An
das Standhalten der Armee durfte ich so lange glauben, wie ich an die
Treue Bulgariens glauben konnte.
Die Türkei war bundestreu, aber sie war am Ende ihrer Kraft; ob ohne
oder mit eigenem Verschulden, blieb sich gleich. Ihr Menschenbestand ging
stark zur Neige, ihre Armee stand zum Teil nur noch auf dem Papier. Pa-
lästina mußte eine leichte Beute Englands werden, wenn die dortigen
Truppen nicht verstärkt wurden. Ihre Zertrümmerung mußte von weit-
gehenden politischen Folgen sein und verhindert werden, auch wenn die
Entscheidung des Kriegces nicht dort fiel.
In Deutschland war der Geist scheinbar besser als bei unseren Bundes-
genossen, aber doch auch offensichtlich stark gesunken, ebenso hatte sich die
Stimmung verschlechtert. Allerdings machte ich mir von der noch vorhande-
nen Volksenergie ein zu günstiges Bild. Auf Regelung der Ersatzfrage
hoffte ich.
Das Heer hatte das Jahr 1917 siegreich überstanden; dabei hatte es sich
aber auch gezeigt, daß das Halten der Front im Westen in reiner Abwehr
bei dem ungeheuren Geräteinsatz der Entente nicht mehr gesichert war.
Auch da, wo die taktischen Verhältnisse durchaus normal und nicht so un-
Kriegserinnerungen 1914—18. 28