Ausführungen des Abgeordneten Gröber 451
land verstümmelt aus dem Krieg hervorgeht, nachdem seine Verbündeten,
für die es 1914 die Kastanien aus dem Feuer holen sollte, gesiegt haben,
so ist das eine Tat für sich.
Die bei weitem größere Mehrheit des Reichstages billigte auch die Be-
dingungen des Brester Friedens und erkannte ferner an, daß der Vertrag
für das Selbstbestimmungsrecht der Völker Raum lasse, die Mehrheits-
sozialisten enthielten sich der Abstimmung, nur die Unabhängigen Sozial-
demokraten stimmten dagegen.
Der Abgeordnete Erzberger hatte den neuen kommenden Frieden
schon am 27. Februar 1918 begrüßt und ausgeführt, daß die Bedingungen
sich im Rahmen der Friedensresolution vom 19. Juli hielten.
Besonders bemerkenswert waren die Ausführungen des Abgeord-
neten Gröber am 22. März, aus ihnen spricht volles Verständnis für
unsere Lage. Er sagte:
„Nun wird man allerdings diesen Friedensvertrag als einen Ver-
ständigungsvertrag im eigentlichen Sinne des Wortes nicht bezeichnen
können. Aber das ist für die Annahme des Vertrages, glaube ich, nicht
entscheidend. Die Frage, die zu stellen ist, ist nicht die: handelt es sich
um einen Verständigungsvertrag oder um keinen Verständigungsvertrag?
— sondern es handelt sich praktisch um die Frage, war auf andere Weise
ein Friedensvertrag überhaupt zu erreichen oder nicht. Diese Frage ver-
neine ich, deshalb habe ich auch namens meiner Freunde die Erklärung
abzugeben, daß wir einmütig dem Vertrage unsere Zustimmung geben.
Meine Herren, die russische Delegation in Brest-Litowsk unter Füh-
rung des bekannten Trotzki hatte offenbar gar nicht die ernste Absicht,
überhaupt eine Verständigung über den Frieden zu erreichen, sondern sie
hatte die Absicht, für ihre bolschewistischen Ibeen Propaganda zu machen.
Sie hat zu diesem Zwecke die Verhandlungen möglichst in die Länge ge-
zogen; hat doch Trotzki es sogar abgelehnt, auch nur der vorgeschlagenen.
Bestimmung die Zustimmung zu geben, daß man in Zukunft in Frieden
und Freundschaft miteinander leben wolle. Sogar das war ihm zu viel.
Und während die deutschen Bevollmächtigten mit einer wahren Lammes-
geduld — um nicht einen anderen Ausdruck zu gebrauchen — sich im
Schweiße ihres Angesichts abmühten, die Friedensverhandlungen zu
fördern und zu einem Abschluß der Verhandlungen zu gelangen, da hat
man von russischer Seite und auch von solcher Seite, die mit der russischen
Regierung in engster Fühlung war, Brandreden und Funksprüche der
schärfsten Art zu hören bekommen, die offenbar auf niemand anders als
auf Trotzki und seine Kollegen zurückzuführen waren und die nichts anderes
bedeuteten als eine Verhöhnung aller Bestrebungen auf das Zustande-
bringen eines wirklichen ordentlichen Friedens. Offenbar war Trotzki in
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