Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

484 Der Angriff im Westen 1918 
  
Die Einrichtungen für die Verwundetenfürsorge hatten nicht 
überall ausgereicht, obschon sie vom Feldsanitätschef vor der Schlacht 
eingehend geprüft waren. Die zahlreichen Leichtverwundeten erschwerten 
durch unverständiges und wenig erfreuliches Hasten nach rückwärts ihre 
Pflege. 
Micelbst hatte die Schlacht viel gekostet. Der jüngste Sohn meiner 
Frau war am 23. März als Fliegeroffizier gefallen. Er galt zunächst als 
vermißt. Auf dem weiten Schlachtfelde fand sich ein Grab mit der eng- 
lischen Aufschrift: Hier ruhen 2 deutsche Fliegeroffiziere. Ich hatte die 
traurige Aufgabe, meinen Sohn festzustellen. Jetzt ruht er in deutscher 
Erde. Der Krieg hat mir nichts erspart. 
Die Fahrt nach dem Schlachtfeld hatte mich auch durch die beiden 
Stellungssysteme gebracht, in denen sich die Gegner so lange gegenüber 
gestanden hatten. Der Eindruck war ein tiefer: Ein viele Kilometer breiter 
Streifen der Zerstörung und Unwirtlichkeit zieht sich durch Frankreich, ein 
Wahrzeichen dieses von der Entente heraufbeschworenen Krieges! 
Beim Feinde war der Eindruck der Niederlage ein gewaltiger. Wir 
taten trotz meiner Bitte nichts, dies diplomatisch auszunutzen. Frankreich 
erbebte. Es wollte über die militärische Unterstützung Englands und 
Amerikas klar sehen. Clemenceau wandte sich an die Verbündeten. In 
England wurden viele Zehntausend Arbeiter aus dem Kohlenbergbau und 
der Kriegeindustrie in das Heer eingestellt, und doch konnten etwa zehn 
Divisionen zunächst nicht wieder aufgefüllt werden. Sie verschwanden aus 
der Front und traten größtenteils erst im Herbst wieder auf. Die Dienst- 
pflicht wurde verlängert; an ihre Einführung in Irland wagte man indes 
noch immer nicht zu denken. Lloyd George ging sonst aufs Ganze. Er 
bat, wie aus einer seiner Reden nach Abschluß des Waffenstillstandes her- 
vorgeht, Wilson dringend um Hilfe und sandte allen verfügbaren Schiffs- 
raum — ganz gleichgültig ob England darunter litt oder nicht — nach 
Amerika, um die Neuformationen zu holen. Was taten wir? Gaben wir 
alles her? Es ist gut, Vergleiche zu ziehen, damit die Lehren dieses Krieges 
von dem deutschen Volke später beherzigt werden. Nur die höchste Energie 
ist im Kriege am Platze. 
Um den Sieg zu erringen, vergewaltigten ferner England und die 
Vereinigten Staaten durch politischen und wirtschaftlichen Druck die euro- 
päischen neutralen Länder und erpreßten deren Schiffsraum, um ihre 
eigene Schiffsraumnot zu mildern. Der U-Bootkrieg hatte auf die Dauer 
doch empfindlich gewirkt und eine schwere Transportkrise zu Land und auf 
See gezeitigt. „Im April waren die deutschen U-Boote so erfolgreich, daß 
England in neun Monaten ruiniert gewesen wäre, wenn die Zerstörungen 
in demselben Tempo fortgedauert hätten“, erklärte ein englischer Staats-
	        
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