Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

208 VIII. Stickstoff 
  
  
Jahr ärmer. Ist der Krieg bald zu Ende, so wird eine Krisis ohne weiteres 
durch Fortfall des militärischen Bedarfs überwunden. Für den Fall aber, 
daß er andauert, kann nur eine weitere Erhöhung der Produktion helfen. 
Eine solche ist außerdem aber für einen Zukunftskrieg unbedingt nötig. 
Wir müssen in Zukunft den Bedarf für Heer und Landwirtschaft un- 
bedingt decken können. Ein Stillstand darf also auf keinen Fall eintreten. 
Verwendung werden wir im Frieden immer für den Stickstoff haben, mag- 
die Produktion noch so hoch sein. 
Nun ist eine weitere Produktionserhöhung, wie ich höre, abhängig von 
Verträgen des Staates mit den Badischen Anilin= und Sodafabriken, und 
meine Bitte geht dahin, daß Sie, verehrte Exzellenz, Ihren maßgebenden 
Einfluß für einen schnellen Abschluß geltend machen. Die oben angeführten 
militärischen und wirtschaftlichen Gründe machen es erforderlich. 
Ich denke, daß die in Frage stehenden Verträge aber auch vom finan- 
ziellen Standpunkte aus vorteilhaft sind. Wir werden an den Kriegslasten 
schwer tragen. Es ist kaum wahrscheinlich, daß durch bare Kriegsent- 
schädigungen ein sehr großer Teil unserer Schulden wird gedeckt werden 
können. Um so mehr müssen wir auf andere Mittel sinnen. Gewiß, wir 
werden — ähnlich wie in Rumänien — bei den Friedensschlüssen unserer 
Wirtschaft Gedeihmöglichkeit und Freiheit schaffen. Aber das Geld wird 
— wie die Kriegsgewinne — in Privathände, Unternehmungen und 
Banken fließen. Es wird dem Staate durch Steuern erst auf Umwegen 
zugute kommen. Dabei wird — wie ich fürchte — manches in unbeab- 
sichtigte Kanäle fließen; auch stärken wir, wenn wir uns auf diesen Weg 
beschränken, wohl zu sehr die Macht der Banken und Kartelle. Ich glaube, 
wir müssen dem Staat unmittelbarere Einnahmegquellen schaffen, und da 
ist u. a. der Stickstoff, soweit ich das übersehe, wohl ein sehr dankbares 
Objekt, das wir uns nutzbar machen sollten. 
Ich weiß nicht, ob in dieser ganzen Frage der Umstand eine Rolle 
spielt, daß der Staat an der Kalkstickstoffproduktion bereits interessiert ist 
und daß, um diese rentabel zu halten, ein Niederhalten des Ammoniakstick- 
stoffs erwünscht ist. Ich würde einen solchen Gedanken nicht für richtig 
halten. Der Kalkstickstoff verbraucht viel Kohle, viel Menschenkraft; er hat 
daher gegenüber dem Ammoniakstickstoff schon aus wirtschaftlichen Gründen 
keine Zukunft. Militärisch aber dürfen wir unter keinen Umständen 
irgendwelche Menschenkraft und Kohle verschleudern. Das beweist dieser 
Krieg zur Genüge. 
Für einige Zeilen der Antwort wäre ich dankbar. Ich denke, wir 
müssen zum schnellen Abschluß in dieser Frage kommen. 
gez. Ludendorff.
	        
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