Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

286 XIII. Aus Presse- und Aufklärungsakten 
  
  
beim Reichskanzler zu beseitigen, ist mißlungen. Hierzu bedarf es einer 
Persönlichkeit von autoritativer Stellung im öffentlichen und staat- 
lichen Leben, die in dauerndem und unmittelbarem Verkehr mit dem 
Reichskanzler steht und von diesem über alles unterrichtet wird und regel- 
mäßig Weisungen erhält. Die vornehmste Aufgabe dieses neuen Auf- 
klärungsministers würde es sein, die vielen bestehenden Presse-Organi- 
sationen zusammenzufassen und einheitlich zu leiten, sowie sie rechtzeitig 
und vorausschauend zu orientieren. 
Zudem würde es ihm obliegen, endlich einmal eine großzügige und 
einheitliche Propaganda durch Reden und Interviews von Staatsmännern 
zu organisieren. Eine solche Propaganda ist ein unabweisbares Bedürfnis 
nicht nur zur Aufrechterhaltung der Stimmung in der Heimat, sondern 
auch zur Schwächung der feindlichen Heimatfront. In England wurden 
z. B. in den letzten acht Tagen fünf Propagandareden gehalten, deren 
Wirkung in erster Linie auf die Zermürbung der Stimmung hinter der 
Front der Mittelmächte berechnet war. 
Ein Aufklärungsminister allein würde auf Grund seiner genauen 
Kenntnis der allgemeinen politischen und militärischen Lage befähigt sein 
zu entscheiden, ob, wann und von welchem Ressort öffentliche staatsmännische 
Kundgebungen zu erfolgen haben. Im Auftrage des Reichskanzlers würde 
er jedem der einzelnen Ressortminister die ihm zukommenden Propaganda- 
aufgaben zuweisen. 
Zur Erreichung dieses Zieles würde es keineswegs einer umfangreichen 
Neu organisation bedürfen. — Es gilt lediglich, alle bestehenden Organi- 
sationen unter einer starken staatsmännischen Persönlichkeit, die sich überall 
durchzusetzen vermag, einheulich zusammenzufassen. Falls es nicht erwünscht 
sein sollte, den Posten für einen Aufklärungsminister neu in den Etat 
einzustellen, wird angeregt, den Staatssekretär des Reichskolonialamtes, 
Exzellenz Dr. Solf, der zur Zeit ohne eine seine Arbeitskraft ausfüllende 
Tätigkeit sein dürfte, mit dieser besonderen Aufgabe zu betrauen. Seine im 
Interesse der Kolonialpropaganda gehaltenen Reden haben im Inlande 
lebhaften Anklang und Beachtung gefunden; zudem besitzt Exzellenz Dr. 
Solf im Auslande ein hohes staatsmännisches Ansehen, seinen Reden wird 
in der ausländischen Presse, auch in der feindlichen, stets besondere Be- 
achtung geschenkt. 
Die Vereinheitlichung unseres ganzen Aufklärungs-, Propaganda- 
und Pressedienstes ist eine so dringende und unabweisbare Notwendigkeit, 
daß schnelles Handeln durchaus erforderlich erscheint. Es dürfte sich daher 
empfehlen, den Staatssekretär des Reichskolonialamtes mit dieser Auf- 
gabe sofort versuchsweise zu beauftragen. In der Presseabteilung des 
Reichskolonialamtes würde Exzellenz Dr. Solf zunächst eine ausreichende 
Organisation zur Erfüllung seiner Aufgaben besitzen, zumal wenn diese
	        
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