Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Verantwortlichkeitsfragen 455 
  
  
Euer Majestät hohes Recht ist, zu entscheiden. Aber Euer Majestät 
werden nicht verlangen, daß aufrichtige Männer, die Euer Majestät und 
dem Vaterlande treu gedient haben, sich mit ihrer Autorität und mit 
ihrem Namen an Handlungen beteiligen, an denen sie sich aus innerster 
Überzeugung als schädlich für Krone und Reich nicht beteiligen können. 
Euer Mojestät werden nicht verlangen, daß ich Euer Mojestät Vor- 
schläge zu Operationen unterbreite, die zu den schwersten der Weltgeschichte 
gehören, wenn sie zur Erreichung bestimmter militärpolitischer Ziele nicht 
nötig sind. 
Euer Mojestät bitte ich alleruntertänigst, Sich grundlegend zu ent- 
scheiden. Meine und des General Ludendorffs Person dürfen bei Staats- 
notwendigkeiten keine Rolle spielen. 
B. 
Der Reichskanzler. Berlin, 12. 1. 1918. 
Rk. Nr. 255. 
An Generalfeldmarschall v. Hindenburg. 
Euer Exzellenz beehre ich mich in der Anlage Abschrift der in der heuti- 
gen Unterredung formulierten und von Euer Exzellenz und dem Herrn 
Ersten Generalquartiermeister gebilligten Erklärung über das Wesen der 
staatsrechtlichen Verantwortlichkeit zu übersenden. 
gez. Hertling. 
1. Die Verantwortung für die Friedensverhandlungen trägt nach 
der Reichsverfassung allein der Reichskanzler. Eine geteilte Verant- 
wortung ist unmöglich. Die Verantwortung des Reichskanzlers für die 
Friedensverhandlungen bezieht sich auf die zu erstrebenden Ziele, die in 
Anwendung gebrachte Taktik und die Ergebnisse. 
2. Die obersten militärischen Stellen haben das Recht und die 
Pflicht, an den Verhandlungen in beratender Weise mitzuwirken, 
soweit dieselben die militärischen Interessen berühren. Der Umkreis dieser 
Interessen ist während des Krieges nicht auf die militärischen Angelegen- 
heiten im engeren Sinne beschränkt, sondern umfaßt auch Fragen der 
Industrie, des Verkehrswesens, der Arbeiterinteressen, soweit diese mit 
der Kriegführung im Zusammenhange stehen, und die moralische Wirkung 
der getroffenen Maßnahmen auf das Heer. Die militärischen Stellen 
können ihre Forderungen nach dieser Richtung jederzeit aus eigener Ini- 
tiative vorbringen, jedoch immer nur im Sinne von Anregungen und Rat- 
schlägen oder von Bedenken, nicht in der Form von Anweisungen, denen 
der Reichskanzler nachzukommen hätte. 
3. Meinungsverschiedenheiten zwischen den militärischen Stellen und 
dem Reichskanzler sind auf dem Wege gegenseitiger Aussprache zu beseiti-
	        
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