456 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1018
gen. Gelingt dies nicht, so ist die Entscheidung Seiner Majestät des Kaisers
einzuholen. Die erfolgte Entscheidung überhebt die militärischen Stellen
in allen Fällen jeder eigenen Verantwortung. Der Reichskanzler hat in
dem Falle, daß die kaiserliche Entscheidung gegen ihn ausfällt, die ihm
staatsrechtlich obliegende Konsequenz zu ziehen, indem er seine Ent-
lassung nimmt.
Chef des Generalstabes des Feldheeres. Gr. H. Qu., 14. 1. 1918.
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Auf Rk. Nr. 255 vom 12. 1. 18.
An Reichskanzler.
In der Annahme, daß die Erklärung nur ein Bruchstück der von Euer
Exzellenz beabsichtigten Beantwortung meiner Denkschrift vom 7. 1. 1918
sein soll und ich der Gesamtbeantwortung gleichzeitig mit der Vollziehung
der Erklärung entgegensehen darf, möchte ich dazu bemerken:
An sich erscheint mir, wie ich schon ausführte, die Erklärung ent-
behrlich. Sie enthält hinsichtlich Euer Exzellenz staatsrechtlicher Verant-
wortlichkeit nichts, was ich oder General Ludendorff jemals bestritten
hätten. Hinsichtlich meiner Person und des Generals Ludendorff ist eine
staatsrechtliche Entlastung nicht nötig, da eine staatsrechtliche Verant-
wortung für uns nicht besteht. Wir fühlen uns aber nach unserer Stellung,
wie sie sich — ohne unser gewolltes Zutun — herausgebildet hat, vor dem
deutschen Volke, vor der Geschichte und vor unserem eigenen Gewissen für
die Gestaltung des Friedens mitverantwortlich. Dieses Verantwortlich-
keitsbewußtsein kann uns keine Erklärung abnehmen.
Sollten Euer Exzellenz trotzdem eine solche Erklärung beibehalten,
so bitte ich um folgende Fassung:
1. Die staatsrechtliche Verantwortung für die Friedensverhandlungen
trägt nach der Reichsverfassung allein der Reichskanzler. Eine Teilung
der staatsrechtlichen Verantwortung ist unmöglich. Die Verantwortung
des Reichskanzlers für die Friedensverhandlungen bezieht sich auf die zu
erstrebenden Ziele, die in Anwendung gebrachte Taktik und die Ergebnisse.
2. Die obersten militärischen Stellen, d. h. der Chef des Generalstabes
des Feldheeres, der Erste Generalquartiermeister, der Kriegsminister und
der Chef des Admiralstabes der Marine haben, soweit die Friedensver-
handlungen die militärischen Interessen berühren, das Recht und die
Pflicht, in beraten der Weise an den Verhandlungen einschließlich der
zur Anwendung zu bringenden Taktik mitzuwirken.
Der Umkreis der militärischen Interessen ist nicht auf die militärischen
Angelegenheiten im engeren Sinne beschränkt, sondern umfaßt auch die
Fragen der Anderung der Reichsgrenzen, Fragen unserer künftigen Be-