Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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69. Der große Kurfürst als Landesvater. 
Nun konnte der Kurfürst anfangen, die Wunden des Landes zu 
heilen. Es gab aber des Elends und Jammers so viel, daß er oft 
keinen Rath wußte. „Ich bin betrübt, aber nicht muthlos,“ sagte er 
einst zu seinen Räthen, die schier verzweifeln wollten; „Gott wird uns 
helfen. Morgen wollen wir weiter davon reden.“ Darauf ging er in 
sein Zimmer und bat Gott auf den Knieen inbrünstig um Beistand. 
Kaum war sein Gebet zu Ende, so ließen ihn Männer vom Adel aus 
Preußen um eine Unterredung bitten. Als sie bei ihm eingetreten waren, 
sprachen sie: „Wir kennen die Noth des Landes und den Jammer, 
der das Volk drückt. Es fehlt den Leuten an Saatkorn, Vieh und 
Geräthen, um den Acker zu bestellen. Wir wollen es ihnen kaufen. 
Gebt uns die Erlaubniß dazu. Wir sind es nicht allein; unser sind 
viele, die so denken!“ Wie sehr dankte der Kurfürst diesen wahren 
Edelleuten für ihre wohlthätige Gesinnung. Auch er suchte mit treuer 
Sorgfalt den Ackerbau zu heben. Er zog Friesländer und Holländer 
in sein Land, die sich in den Niederungen der Oder und Havel an- 
bauten. Selbst Schweizer folgten. seinem Rufe. Jeder Landmann 
mußte bei seinem Hause einen Garten anlegen, und kein junger Bauern- 
sohn sollte getraut werden, bevor er sechs Obstbäume gepfropft und 
sechs Eichbäume gepflanzt habe. Mit großem Eifer betrieb der Kur- 
fürst den Anbau der Kartoffel, die damals in Deutschland noch wenig 
gekannt und beliebt waren. Die eingewanderten Holländer brachten 
auch die Tabackspflanze mit. Die Märker fanden aber anfangs an 
diesem Kraute gar keinen Gefallen. Das beweist unter anderem fol- 
gender Vorfall. Ein Mohr, der dem Kurfürsten einst auf der Jagd 
folgte, bot einem Bauern eine Pfeife Tabak an. Der ehrliche Märker 
aber wandte sich mit Abscheu von ihm weg und sprach: „Ne, gnädi- 
ger Herr Düdvel, ick freete keen Füer!“ — Damit das Geld im Lande 
bliebe, verbot der Kurfürst die Einfuhr solcher Waaren, die die Märker 
selbst verfertigen konnten. Zur Hebung des Verkehrs ließ er zur Ver- 
bindung der Oder und Spree einen Kanal graben, der noch jetzt der 
Friedrich-Wilhelms-Kanal heißt, und errichtete Posten. Eine derselben 
ging von Berlin über Magdeburg nach dem Rheine bis Wesel und 
Cleve, eine andere von Danzig über Königsberg nach Memel, eine 
dritte von Königsberg nach Warschau. Auch Kirchen und Schulen, 
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