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93. General oder Lumpenkerl.
Derfflinger schämte sich keineswegs seiner niedern Herkunft; er
wollte nur nicht, daß man sie ihm zum Vorwurf mache. Er selbst
erzählte gern in heiteren Kreisen interessante Züge aus seinem früheren
Leben. Als er noch gemeiner Dragoner war, konnte er einmal des
Nachts nicht schlafen. Er warf sich deshalb unruhig auf dem Lager
hin und her und störte dadurch auch den Schlaf seines Zeltkameraden.
Dieser fragt ihn im heftigen Tone, was er für eine Unruhe auf dem
Leibe habe. Derfflinger antwortet: „Ich sinne darüber nach, wie ich
es anfange, General zu werden.“ „Ach wasl schlaf!“ erwiedert sein
Kamerad, „ein Lumpenkerl machst Du wohl noch werden, aber ein
General schwerlich!“ Derfflinger nahm diese Prophezeihung still-
schweigend hin, vergaß sie aber nie. Viele Jahre nachher, als er schon
Feldmarschall war, kam er durch ein Städtchen, wo der Name des
Bürgermeisters ihm auffiel . Er läßt seinen Wagen vor dessen Woh-
nung fahren. Das Oberhaupt der Stadt eilt zu seinem Empfange
herbei, und Derfflinger erkennt auf den ersten Blick in demselben seinen
ehemaligen Zeltkameraden. „Ei, kennen wir uns?“ fragte der Feld-
marschall. „Ich glaube wohl!“ erwiederte der Bürgermeister mit eini-
gem Zögern. „Nun, denkst du auch noch an deine Prophezeihung?“
Der Bürgermeister wollte sich der alten Geschichte nicht recht mehr er-
innern. Derfflinger führte sie ihm in's Gedächtniß zurück. Da wurde
jener ganz verwirrt und erwiederte, wenn er dergleichen Worte damals
gefagt hätte, so möchte er ihm das doch jetzt nicht mehr nachtragen.
„Nein, ganz und gar nicht,“ rief der Marschall, sprang aus dem
Wagen, umarmte seinen ehemaligen Schlafkameraden brüderlich, klopfte
ihm auf die Schulter und rief ihm zu: „Alter Junge, hast du etwas
Ordentliches zu essen?“ „O, ja, Schinken, Würste und noch andere
Delikatessen,“ war die Antwort. „Und ich habe guten Rheinwein im
Wagen,“ fügte Derfflinger hinzu. So gingen denn die Beiden zu-
sammen hinein, aßen und tranken vergnügt mit einander und erzählten
sich ihre Erlebnisse seit jenen Tagen. Schade, daß wir nicht dabei
waren!